1043. Bundesratssitzung vom 26. April 2024
Wichtigste Themen: EU Verordnung für den Agrarbereich + Bezahlkarte für Asylbewerber + Solarpaket + Finanzierung Wasserstoff-Kernnetz + Bevölkerungsschutz + Mutterschutz für Selbstständige + BAföG + Bürokratieabbau + Einsatz verdeckter Ermittler + Hochbaustatistik
Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:
Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 1043. Sitzung des Bundesrates.
Der Bundesrat hat das Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung, auch bekannt als »Solarpaket I«, ohne die Unterstützung Sachsens passiert. Der Freistaat enthielt sich koalitionsbedingt zur Anrufung des Vermittlungsausschusses. Energieminister Wolfram Günther sprach zum Gesetz im Bundesrat.
Der Bundesrat hatte am 2. Februar 2023 zum ersten Teil des Gesetzespakets der Bundesregierung Stellung genommen und Nachbesserungen angemahnt. Der Freistaat Sachsen hatte hierzu erfolgreich einen Plenarantrag eingebracht.
Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens konnten so noch einige Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf erreicht werden. So sieht das Gesetz nun verbesserte Förderbedingungen und unkomplizierten Abrechnungsmöglichkeiten bei selbst genutztem Strom vor, sodass Photovoltaikanlagen im Dachsegment angereizt werden. Auch die Nutzung von Solaranlagen auf gewerblichen genutzten Gebäuden wird durch eine angehobene Vergütung attraktiver. Zudem sieht das Gesetzespaket zahlreiche Vorschläge zur Entbürokratisierung im Bereich der Energiewirtschaft vor, so unter anderem bei Mieterstrom, zur unbürokratischen Nutzung von Balkonsolaranlagen ohne Anmeldung beim Netzbetreiber oder das vereinfachte Anmeldeverfahren für den Netzbetrieb auf Anlagen bis zur Größe eines Scheunendaches.
Das »Solarpaket I« unterstützt die von Bund, Ländern und Verbänden in einem monatelang angelegten Beteiligungsprozess entstandene Photovoltaik-Strategie aus dem Jahr 2023 vor dem Hintergrund des Ziels der Klimaneutralität der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2045. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch auf 80 Prozent ansteigen, bei zugleich ansteigendem Stromverbrauch durch die Sektorkopplung außerhalb des Energiebereichs.
Für das Erreichen der Ausbauziele für erneuerbare Energien sind weitere Anstrengungen erforderlich. Nachdem der jährliche Zubau an Solaranlagen zwischen 2014 und 2017 in Deutschland eine Talsohle durchschritt, konnte er seither deutlich auf zuletzt ca. 14,3 GW neu installierter Photovoltaik-Leistung im Jahr 2023 gesteigert werden. Um die aus der Photovoltaik-Strategie abgeleiteten Ziele zu erreichen, soll eine neue installierte Leistung von bis zu 22 GW im Jahr 2026 erreicht werden. Dabei soll dies mindestens zur Hälfte über Photovoltaik-Dachanlagen erreicht werden, um sowohl dem Anliegen eines Zubaus zu möglichst geringen Kosten durch Freiflächenanlagen als auch dem Anliegen verbrauchsnaher Stromerzeugung und Flächenschonung durch Solaranlagen auf Dächern, an Gebäuden und auf weiteren gebäudenah versiegelten Flächen in ausgewogener Weise Rechnung zu tragen.
Energie- und Klimaschutzminister Wolfram Günther betonte in seiner Rede vor dem Bundesrat, dass das »Solarpaket I« ein umfassendes Paket von Reform- und Entbürokratisierungsvorhaben umsetze, welches einen umfassenden Dialogprozess mit den Ländern abschließt. Der Minister kritisierte jedoch das Fehlen einer politischen Einigung zu Resilienzinstrumenten für faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche Herstellern der Solarindustrie gegenüber Wettbewerbern mit Produktionsstandorten in China und in den USA. Vor dem Hintergrund der strategischen Bedeutung der ostdeutschen Photovoltaik-Standorte innerhalb der Wertschöpfungskette der europäischen Solarindustrie drängt Günther auf eine zügige Umsetzung des »Net Zero Industry Act« der europäischen Ebene in deutsches Recht. Dabei sollte der deutsche Gesetzgeber die Spielräume des »Net Zero Industry Act« umfassend nutzen, um der Solarindustrie in Deutschland neue Perspektiven zur wettbewerbsfähigen Produktion im Inland zu eröffnen.
- Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung
- Rede von Staatsminister Wolfram Günther
- Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft
Der Bundesrat hat zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission in Bezug auf Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand, Regelungen für Klima, Umwelt und Tierwohl, Änderungen der GAP-Strategiepläne, Überprüfung der GAP-Strategiepläne und Ausnahmen von Kontrollen und Sanktionen Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme koalitionsbedingt nicht unterstützt.
Die EU-Kommission hatte kürzlich den Vorschlag einer Verordnung zur Vereinfachung der GAP vorgelegt. Das Hauptziel ist, den Verwaltungsaufwand in der Landwirtschaft zu verringern und den Landwirten und Mitgliedstaaten mehr Flexibilität bei der Einhaltung bestimmter Umweltauflagen zu geben. Die EU-Kommission schlägt unter anderem eine gezielte Überprüfung bestimmter Konditionalitäten in der Verordnung über die GAP-Strategiepläne, den sogenannten GLÖZ (guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand), vor. Das betrifft die Verpflichtungen zu Brachflächen (GLÖZ 8), die Fruchtfolgen, die weiter flexibilisiert werden sollen (GLÖZ 7) und die Bodenbedeckung in empfindlichen Zeiträumen (GLÖZ 6). Zudem soll es gezielte Ausnahmen beim Umbruch zur Wiederherstellung von Dauergrünland in Natura-2000-Gebieten geben (GLÖZ 9). Bei allen GLÖZ- Anforderungen soll es die Möglichkeit befristeter Ausnahmeregelungen in extremen Fällen widriger Witterungsverhältnisse geben. Diese Ausnahmen sollten zeitlich begrenzt sein und nur für die betroffenen Begünstigten gelten.
Kleine landwirtschaftliche Betriebe mit einer Fläche von weniger als 10 Hektar sollen von Kontrollen und Sanktionen im Zusammenhang mit der Einhaltung der Konditionalitäts-Anforderungen ausgenommen werden. Dadurch wird der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit den Kontrollen für Kleinerzeuger, die 65 Prozent der GAP-Begünstigten ausmachen, erheblich verringert. Die Mitgliedstaaten können ihre Strategiepläne entsprechend anpassen.
Der Umweltausschuss des Bundesrats hatte in umfassender Weise kritisch Stellung zu dem Vorschlag bezogen. Unter anderem fordert er, dass der Bürokratieabbau sowie andere Erleichterungen und Unterstützungsmaßnahmen für die Landwirtinnen und Landwirte nicht zu einem Abbau von ökologischen Standards führen dürfen.
Der Freistaat Sachsen hat die Empfehlungen der Ausschüsse koalitionsbedingt nicht unterstützt.
Der Bundesrat hat eine Entschließung zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes gefasst, der der Freistaat Sachsen beigetreten ist.
Mit der Entschließung wird angesichts der Konsequenzen aus dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine erneut begrüßt, dass der Bund 100 Mrd. Euro zur Stärkung der Bundeswehr bereitgestellt hat. Als »Kehrseite der Medaille« müssten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene die Kapazitäten und Resilienzen des Zivil- und Katastrophenschutzes kritisch überprüft werden, sodass im Bereich der Zivilen Verteidigung neue Ausrichtungen initiiert und Fähigkeiten erweitert werden können.
Als Grundlage der Finanzierung wird auf den Beschluss der Innenministerkonferenz von Juli 2022 hingewiesen, der ein Sondervermögen des Bundes über 10 Mrd. Euro binnen 10 Jahren fordert, sowie an die Entschließung des Bundesrates zur »nachhaltigen Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes durch den Bund« (Bundesrat Drucksache 438/22 (Beschluss) erinnert.
Anknüpfend an die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung bedürfe es eines gemeinsamen Aktionsplans von Bund und Ländern, wozu unter anderen die Überarbeitung der Konzeption Zivile Verteidigung, die Erarbeitung eines Schutzraumkonzepts, die weitere Ertüchtigung der Warninfrastruktur und eine intensivierte zivil-militärische Zusammenarbeit gehörten.
Darüber hinaus fordern die Länder die Aktualisierung der Vorsorge- und Sicherstellungsgesetze, die überwiegend aus Zeiten des »Kalten Krieges« stammten. Der Bund müsse dabei der Versorgungssicherheit der Trinkwasserversorgung, der Ernährungsvorsorge und der Energie- und Treibstoffversorgung oberste Priorität einräumen. Zu den Aufgaben des Bundes zähle auch eine auskömmliche Bevorratung von Hilfsgütern und Notstromaggregaten, die Sicherstellung bzw. Härtung der Notlieferlogistik und die Stärkung der Prozessketten.
Zur Verankerung des Zivil- und Katastrophenschutzes als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wird eine Stärkung des Ehrenamts im Zivil- und Katastrophenschutz sowie eine bundeseinheitliche Informationskampagne zur Stärkung der Selbstschutzkompetenzen der Bevölkerung gefordert.
Mit dem Fassen der Entschließung wollen die Länder erreichen, dass der Bund seiner Verantwortung für den Zivilschutz nachkommt, während die Länder in den letzten Jahren bereits erheblich in den Brand- und Katastrophenschutz investiert haben.
Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht (DÜV-AnpassG) mit den Stimmen Sachsens zugestimmt. Einen Antrag des Freistaates Bayern auf Anrufung des Vermittlungsausschusses hat Sachsen nicht unterstützt.
Das Gesetz war im parlamentarischen Verfahren um Regelungen zur bundesrechtlichen Absicherung der Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende ergänzt worden. Mit dieser Karte sollen Asylsuchende künftig ihren monatlichen persönlichen Bedarf decken und die Kommunen sollen von Bürokratie entlastet werden. Der Freistaat Sachsen hatte bereits über die Ministerpräsidentenkonferenz diese rechtliche Klarstellung gefordert. Mit dem Gesetz soll weiterhin der digitale Datenaustausch zwischen Ausländer- und Leistungsbehörden verbessert werden. Die Behörden werden dabei durch Digitalisierungsmaßnahmen entlastet. Ziel ist es, das Ausländerzentralregister (AZR) als zentrale Informationsplattform im Ausländerwesen weiter zu stärken und rechtliche Hürden zum automatisierten Abrufverfahren aus dem AZR abzubauen. Der Informationsaustausch soll künftig soweit wie möglich über das AZR erfolgen. Derzeit wird für den Informationsaustausch noch eine Vielzahl von Formaten verwendet, wie Brief, Telefax oder E-Mail. Damit verbunden sind Medienbrüche und zusätzliche Aufwände zur Übernahme in das Datenverarbeitungssystem der Empfängerbehörde. Durch die automatisierte Übermittlung von Informationen können Aufwände signifikant reduziert und Übertragungsfehler und -verluste vermieden werden. Künftig werden bestimmte Daten zu existenzsichernden Leistungen (Leistungsbehörde, Bezugszeitraum, Art der Leistung) im AZR abgebildet und stehen damit den Ausländerbehörden, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Leistungsbehörden zum Abruf zur Verfügung. Im Rahmen der Identitätssicherung und -überprüfung von Ausländern nach § 49 Aufenthaltsgesetz oder § 16 Asylgesetz werden darüber hinaus im Bereich der Dokumentenprüfung bundeseinheitliche IT-Sicherheitsstandards für die Datenverarbeitung etabliert. Nach dem Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine infolge des russischen Angriffskrieges sind zudem Anpassungen in AZR und Aufenthaltsgesetz erforderlich, um die Datenerfassung an letztlich alle Vorgaben der EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen anzupassen und bestehende Inkongruenzen zu beseitigen.
Angesichts der steigenden Zahl von Schutzsuchenden in Deutschland sollen Ausländerbehörden und Leistungsbehörden durch eine möglichst automatisierte Datenübermittlung von manuellen Abfragen entlastet werden.
Der Bundesrat hatte im 1. Durchgang zum Gesetzentwurf Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hatte Teile der Stellungnahme unterstützt.
Der Deutsche Bundestag hatte mit seinem Gesetzbeschluss neben der Bezahlkarte unter anderem die Rechtsgrundlage für den Datenabruf durch die Familienkassen und teilweise die Elterngeldstellen geschaffen und ein AZR-Datenschutzcockpit für mehr Transparenz beim Datenaustausch für die Betroffenen eingeführt.
Der Bundesrat hat sich erstmalig mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bürokratieentlastung befasst und hierzu Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat Teile der Stellungnahme unterstützt und eigene Anträge zu weiteren Entlastungen gestellt.
Außerdem hat Sachsen mit einer Protokollerklärung die Zielrichtung des Gesetzes ausdrücklich begrüßt. Zum Bürokratieabbau für die Beherbergungswirtschaft trage die Streichung der Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige in erheblichem Umfang bei. Die Meldepflicht könne jedoch für polizeiliche Ermittlungen relevant sein. Daher wird die Bundesregierung gebeten, die Beibehaltung einer digitalen Meldepflicht zu prüfen.
Das Gesetz ist Teil eines Bürokratieabbaupaketes der Bundesregierung, mit der Entlastungen der Wirtschaft von rund drei Milliarden Euro pro Jahr erreicht werden sollen. Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz soll dazu 944 Millionen Euro an Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung beitragen. Dazu sind bei einer Vielzahl von Gesetzen u. a. folgende Änderungen vorgesehen:
- Verkürzung von Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht von zehn Jahren auf acht Jahre,
- einer Zentralen Vollmachtsdatenbank für steuerberatende Berufe,
- der Abschaffung der Hotelmeldepflicht für touristische Übernachtungen für deutsche Staatsangehörige,
- der Anhebung der Schwellenwerte für die Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Anhebung der Bagatellgrenze bei der Differenzbesteuerung in § 25a Abs. 4 UStG,
- Der Abschaffung verschiedener Anzeige- bzw. Informationspflichten in der WPO, dem Mess- und Eichgesetz und dem VermBG,
- einer angemessenen Verkürzung der Äußerungsfrist bei Öffentlichkeitsbeteiligung bei Verfahren mit UVP,
- der Herabstufung von Schriftformerfordernissen im BGB und EGBGB (u. a. im Gewerberaummietrecht, Vereinsrecht und Schuldrecht) auf Textform; Herabstufung des Schriftformerfordernisses auf Textform in verschiedenen berufsrechtlichen Bestimmungen und weiteren Fachgesetzen,
- der elektronischen Erteilung von Dienst- und Arbeitszeugnissen,
- der digitalen Auslesung von Reisepässen bei der Flugabfertigung,
- der digitalen Bereitstellung von Belegen zur Einsicht bei der Betriebskostenabrechnung,
- der Einführung der Textform für Anträge auf Elternzeit,
- der Vereinfachungen im Bereich der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach dem UhVorschG,
- der Klarstellung der Befugnisse von Notaren im Bereich der Beurkundung von Erklärungen im Zusammenhang mit einer Unternehmensgründung.
Der Bundesrat begrüßt in seiner Stellungnahme die vorgelegten Maßnahmen zum Bürokratieabbau grundsätzlich, stellt aber fest, dass diese nicht weit genug gehen und fordert die Bundesregierung daher zu fortgesetzten und systematischen weiteren Bemühungen zur Entlastung der Wirtschaft auf. Laufende Initiativen wie der »Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern« seien zügig umzusetzen. (bei Annahme Ziffern 29 u 30). Der Bundesrat fordert die Bundesregierung u. a. dazu auf, die rechtlichen Voraussetzungen für eine digitale Bereitstellung von Steuerbescheiden und Schreiben der Finanzämter zu schaffen und die Grenze für umsatzsteuerliche Kleinbetragsrechnungen von 250 Euro auf den nach EU-Recht maximal zulässigen Gesamtrechnungsbetrag von 400 Euro anzuheben (bei Annahme Ziffer 6).
Der Bundesrat hat das Zweite Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) mit sächsischer Unterstützung passieren lassen. Zudem hat der Bundesrat zur weiteren Ausgestaltung und zum Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes, zum weiteren Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur und zum Verzahnung der Netzentwicklungspläne für den Ausbau von Strom- und Wasserstoffnetzen eine begleitende Entschließung gefasst. Der Freistaat Sachsen hat wesentliche Teile der Entschließung unterstützt.
Ziel des Gesetzesentwurfs ist die Schaffung des Rechtsrahmens für die Entwicklung einer nationalen Wasserstoffinfrastruktur, um einen schnellen und kostengünstigen Hochlauf des Wasserstoffmarktes zu ermöglichen. Damit soll nicht nur die Versorgungssicherheit gewährleistet werden, sondern es sollen auch weitere Schritte hin zu sauberer und bezahlbarer Energie gemacht werden. Der Hochlauf des Wasserstoffmarktes dient dabei vor allem der Dekarbonisierung, insbesondere in den Wirtschaftssektoren mit hohen Treibhausgasemissionen, in denen keine energie- und kosteneffizienteren Alternativen zu Wasserstoff verfügbar sind. Dafür ist es erforderlich, auf die vorhandenen privatwirtschaftlichen Strukturen aufzubauen, um das Know-how und Fachkräftepotential bestmöglich nutzen zu können. Insbesondere soll damit ein hoher Anteil von gegenüber dem Neubau deutlich effizienteren Umstellungen vorhandener Leitungsinfrastruktur ermöglicht werden. Damit sollen die Investitionskosten der Wasserstoffinfrastruktur möglichst geringgehalten werden. Mit der EnWG-Änderung wird auch die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie umgesetzt.
Aufbauend auf der geplanten Schaffung eines Wasserstoff-Kernnetzes als erste Stufe enthält der vorliegende Gesetzentwurf ebenfalls die zweite Stufe zur Entwicklung eines Wasserstoffnetzes für die Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs. Ziel ist es, über das Wasserstoff-Kernnetz hinaus weitere Wasserstoffverbraucher und -erzeuger sowie Wasserstoffspeicher anzubinden und ein flächendeckendes, engmaschiges Wasserstoffnetz aufzubauen. So sollen über das Wasserstoff-Kernnetz hinaus weitere Regionen angebunden werden. Hierzu soll eine umfassende Netzentwicklungsplanung für Wasserstoff im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eingeführt werden. Die Planung soll in einem integrativen Prozess zusammen mit der Netzentwicklungsplanung für Erdgas erfolgen, um die Wechselwirkungen zwischen beiden Bereichen zu berücksichtigen.
Die reguläre, gleichermaßen szenario- und bedarfsbasierte Planung soll sich an den bestehenden Netzentwicklungsprozessen im Gas- und Strombereich orientieren. Dies dient der zunehmenden Schaffung von Kohärenz im Energiesystem, um den Hochlauf von Elektrolyseuren und Wasserstoffkraftwerken mit den Strom- und Wasserstoffnetzentwicklungsplanungen verknüpfen zu können. Schließlich ist es mit Blick auf ein künftiges europäisches Wasserstoffnetz erforderlich, den Handel von Wasserstoff und den Import von Wasserstoff vor allem in die Verbrauchszentren zu ermöglichen, um die Klimaschutzziele der EU zu erreichen und die Energieversorgung zu diversifizieren.
Ebenfalls enthält die Gesetzesnovelle Regelungen zur Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes. Das künftige Wasserstoff-Kernnetz soll grundsätzlich vollständig über Netzentgelte finanziert werden. In der Hochlaufphase mit noch wenigen Netznutzern können die anfänglich hohen Investitionskosten sowie Betriebskosten jedoch noch nicht vollständig auf die Entgelte der Netznutzer umgelegt werden. Denn bei einer vollständigen Umlegung drohen sehr hohe Entgelte, die zu einem Hemmnis für den Wasserstoffhochlauf werden könnten. Zudem lässt sich der weitere Wasserstoffhochlauf über den relevanten Investitionszeitraum von über 30 Jahren, insbesondere mit Blick auf die Entwicklung neuer Technologien oder auf die Verlagerung von Standorten nicht belastbar prognostizieren. Daraus ergibt sich ein Risiko, dass sich privatwirtschaftliche Investitionen nicht refinanzieren lassen (Amortisationsrisiko), welches bisher privatwirtschaftliche Investitionen in Wasserstoffnetze hemmt. Dem soll durch das innovative Finanzierungsmodell mit einer subsidiären staatlichen Absicherung begegnet werden.
Mit seiner Entschließung weist der Bundesrat auf die Bedeutung des Wasserstoff-Kernnetzes hin und fordert die Bundesregierung auf, das in der Abstimmung stehende Wasserstoffbeschleunigungsgesetz zeitnah auf den Weg zu bringen und eine ausgewogene kapitalmarktfähige Umsetzung der Finanzierung für das Wasserstoff-Kernnetz abzusichern. Die Schaffung anreizorientierter Finanzierungsregeln ist umso bedeutender, da sowohl die Klimaschutzziele als auch der Wirtschaftsstandort Deutschland vom Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes abhängen. Daher müssen Verlässlichkeit und Rechtssicherheit für potentielle Investoren für das Wasserstoff-Kernnetz geschaffen werden. Weiterhin weist der Bundesrat darauf hin, dass eine miteinander verzahnte Netzentwicklungsplanung zwischen Strom- und Wasserstoffnetzen hin zum Ziel einer Systementwicklungsplanung entscheidend für den Erfolg der Energiewende sind, weshalb beide Netzbereiche beschleunigt ausgebaut werden sollen. Vor dem Hintergrund der erheblichen Investitionsbedarfe im Stromnetzbereich bittet der Bundesrat die Bundesregierung um ein Alternativmodell für das derzeitige System zur Finanzierung des Netzausbaus, welches zu einer Reduzierung der Netzentgelte führen soll.
Der Bundesrat eine Entschließung des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Titel »Mutterschutz muss auch für Selbständige gelten« nach Maßgabe gefasst. Der Freistaat Sachsen hat dieses Votum unterstützt.
Die Entschließung weist darauf hin, dass der Frauenanteil bei Gründungen und in der Geschäftsführung bei Start-Ups sowie bei KMU immer noch niedrig ist. Außerdem sei für Frauen eine Entscheidung für die Selbstständigkeit im Vergleich zu Männern erschwert, weil es an einer ausreichenden Absicherung in und nach einer Schwangerschaft mangele. Denn anders als für Arbeitnehmerinnen gelte für selbstständige Frauen das Mutterschutzgesetz nicht. Sie müssten selbst finanziell für die Zeit vor und nach der Geburt, in der sie nicht arbeiten, vorsorgen. Unternehmen, die noch keine Rücklagen dafür bilden konnten, könne in der Folge die Insolvenz drohen.
Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung gleichwertiger Verhältnisse in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Selbstständigkeit unterstrichen. Nachteile während und nach der Schwangerschaft sollten für Selbstständige abgebaut werden. Auf diesem Weg könne ein wichtiger Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und Männern geleistet werden.
Die Initiative will erreichen, dass die Bundesregierung für Selbstständige während der Schwangerschaft und nach der Entbindung die gleichwertigen gesetzlichen Mutterschutzleistungen schafft, wie es sie für Arbeitnehmerinnen gibt. Die Initiative wird nun der Bundesregierung zugeleitet.
Der Bundesrat hat zum Regierungsentwurf des 29. BAföG Änderungsgesetzes Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme in weiten Teilen unterstützt.
Mit dem Gesetzentwurf sollen die bislang im BAföG vorgegebenen Strukturen stärker an tatsächliche Studienverläufe angepasst und den Auszubildenden mehr Flexibilität auf ihrem Weg zum Abschluss ermöglicht werden. Studierende sollen in begrenztem Umfang ohne aufwändige Prüfung von individuell vorliegenden Gründen auch über die Förderungshöchstdauer hinaus gefördert werden können (zu diesem Zweck wird ein Flexibilitätssemester eingeführt) sowie Erleichterungen beim Wechsel der Fachrichtung erfahren. Außerdem enthält der Gesetzentwurf die Einführung einer einmaligen Studienstarthilfe für BAföG-Berechtigte von 1.000 €. Die Studienstarthilfe soll die Finanzierung der gerade zu Beginn des Studiums anfallenden Aufwendungen (beispielsweise Mietkaution, IT-Ausstattung, Bücher) erleichtern. Sie ist als Zuschuss ausgestaltet und somit nicht rückzahlungspflichtig. Zudem werden die Freibeträge, die für Leistungen nach dem BAföG gelten, sowie die Freibeträge für die Rückzahlung des Darlehensanteils um fünf Prozent angehoben.
Der Gesetzentwurf enthält hingegen keine Erhöhung der Bedarfssätze des BAföG und der Wohnpauschale, obwohl angesichts von Inflation und steigenden Mieten die Lebenshaltungskosten für junge Menschen in Ausbildung stark gestiegen sind. Der Bundesrat sieht in seiner mit breiter Mehrheit und teilweise den Stimmen Sachsens beschlossenen Stellungnahme dringenden Anpassungsbedarf: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung gehe hier nicht weit genug und laufe Gefahr, die Lebensrealität der Auszubildenden aus dem Blick zu verlieren. Außerdem schlägt der Bundesrat vor, anstelle des geplanten Flexibilitätssemesters die Förderungshöchstdauer um zwei Semester zu verlängern und äußert sich zur Studienstarthilfe.
Die Stellungnahme des Bundesrates wird zunächst der Bundesregierung zugeleitet, die dazu ihrerseits in einer Gegenäußerung Stellung nehmen kann. Dann erfolgt die Zuleitung an den Bundestag. Voraussichtlich wird auch dort die Frage der zusätzlichen Erhöhung der Bedarfssätze und des Wohnkostenzuschusses intensiv debattiert werden. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte für die Erhöhung des BAföG 150 Millionen Euro bereitgestellt, die mit diesem Gesetzentwurf noch nicht ausgeschöpft würden.
Der Bundesrat hat sich erstmalig mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie der Tatprovokation im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen befasst und eine kritische Stellungnahme beschlossen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme in weiten Teilen unterstützt.
Verdeckte Ermittler sind Beamte des Polizeidienstes, die unter einer veränderten Identität ermitteln und dadurch typischerweise das Vertrauen von Kriminellen gewinnen sollen, um an Informationen über Straftaten zu gelangen. Vertrauenspersonen gehören hingegen keiner Strafverfolgungsbehörde an. Sie arbeiten geheim mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen und unterstützen diese bei der Aufklärung von Straftaten. Außerdem soll die Tatprovokation, also das Verleiten einer zur Begehung neigenden Person zu einer Straftat durch einen Verdeckten Ermittler oder eine Vertrauensperson gesetzlich geregelt werden.
Ziel des Gesetzes ist es, die Voraussetzungen für die Anordnung, die Beendigung und Protokollierung des Einsatzes von Vertrauenspersonen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft durch eine Ergänzung der Strafprozessordnung erstmalig im Gesetz festzulegen. Um den Einsatz rechtsstaatlich abzusichern, sieht das Gesetz die Einführung einer vorherigen Anordnung des Einsatzes der Vertrauenspersonen durch ein Gericht vor. Außerdem sollen die Vernehmungen im Rahmen der Ermittlungen protokolliert werden.
Die bestehenden Regelungen für Verdeckte Ermittler in § 110a StPO werden um einen Anordnungsvorbehalt durch die Staatsanwaltschaft bzw. ein Gericht und um Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung der Zielperson oder Dritter ergänzt. Für die Tatprovokation wird ebenfalls ein Richtervorbehalt eingeführt. Wird seitens der Ermittlungsbehörden oder einer Vertrauensperson erheblich auf eine Person eingewirkt, damit sie eine Straftat begeht, so ist die Tatprovokation rechtsstaatswidrig und wird die Ahndung der Tat ausgeschlossen.
In seiner Stellungnahme hat der Bundesrat insbesondere die Regelungen für Vertrauenspersonen als zu weitgehend kritisiert. Die Gefahr der Enttarnung von Vertrauenspersonen würde zu stark erhöht. Es bestehe aber ein großes Interesse der Strafverfolgungsbehörden daran, auch weiterhin auf dieses Ermittlungsinstrument zurückgreifen zu können. Die Schaffung rechtsstaatlicher Standards und Dokumentationspflichten seien zum Teil verfassungsrechtlich nicht erforderlich und zudem nicht praxistauglich. Der Bundesrat schlägt daher abweichende Regelungen für den Einsatz vor. Außerdem bittet er die Bundesregierung, die Vorschriften zum Kernbereichsschutz, der Dokumentation und Protokollierung von Einsätzen sowie der Tatprovokation auf Tauglichkeit für die Praxis zu überprüfen.
Außerdem bittet er die Bundesregierung, den Gesetzentwurf dahingehend zu überprüfen, ob der gebotene Schutz der Identität von Vertrauenspersonen durch eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs erreicht werden kann.
Der Bundesrat hat zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Hochbaustatistikgesetzes Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme in Teilen unterstützt und war auch mit eigenen Anträgen in den Ausschüssen des Bundesrates erfolgreich.
Das Hochbaustatistikgesetz regelt schon heute die Erhebungen der Baugenehmigungen, des Bauüberhangs und der Wohngebäude- und Wohnungsfortschreibung. Zukünftig soll die Baufertigstellungsstatistik monatlich erhoben und auch die Baubeginne erfasst werden. Diese Erweiterung beabsichtigt vorhandene Datenlücken zu schließen, da in der Baubranche ein erheblicher Bedarf nach unterjährigen Statistiken zu Baubeginnen und Baufertigstellungen besteht, um auf kurzfristige Entwicklungen zeitnah reagieren zu können.
Die Erhebungen der Hochbaustatistik stellen wesentliche und unentbehrliche Informationen für Politik, Stadtplanung, Wirtschaft, Wissenschaft und Klimaschutz bereit und finden insbesondere in der Konjunktur- und Wohnungspolitik, in der Wohnungs- und Bauwirtschaft, sowie in der volkwirtschaftlichen Gesamtrechnung Anwendung. Auch soll dadurch die konjunkturelle Entwicklung auf dem Immobilienmarkt zukünftig verlässlicher abgebildet werden.
Ziel soll es zudem sein, die Digitalisierung weiter zu stärken, indem digitale Übertragungswege und die Nutzung von Verwaltungsdaten der neue Standard in der Bautätigkeitsstatistik werden. So soll neben höherer Aktualität und Qualität auch das Analysepotential erheblich verbessert werden.
In seiner Stellungnahme äußert der Bundesrat mit der Unterstützung des Freistaates Sachsen Zweifel an der Umsetzbarkeit des Gesetzentwurfes. So kritisiert der Bundesrat u. a., dass der Gesetzentwurf eine Volldigitalisierung der Hochbaustatistikmeldungen voraussetzt, die jedoch in keiner Weise gegeben sei. Dadurch entstehe fälschlicherweise der Eindruck, es werde Bürokratie abgebaut. Stattdessen führten gerade die vorgesehenen zusätzlichen Statistikmerkmale sowie die Ausweitung der Bautätigkeitsstatistik auf die Baubeginne zu erheblichem Zusatzaufwand.