1030. Bundesratssitzung vom 10. Februar 2023
Wichtigste Themen: Hinweisgeberschutz + Demokratiefördergesetz + inklusiver Arbeitsmarkt + Sanktionenrecht im Strafgesetzbuch + Digitalisierung im Bauleitplanverfahren + Energietransporte auf der Schiene + Sicherung der Energieversorgung
Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:
Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 1030. Sitzung des Bundesrates.
Der Bundesrat hat dem Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden nicht zugestimmt. Der Freistaat Sachsen hatte dem Gesetz ebenfalls nicht zugestimmt.
Mit dem Gesetz soll der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz von hinweisgebenden Personen ausgebaut und die Hinweisgeberschutzrichtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei geht es insbesondere um Hinweise zu Betrügereien, Korruption und anderen Missständen in Behörden und Unternehmen. Ebenso sind Hinweise auf mangelnde Verfassungstreue von Beschäftigten im öffentlichen Dienst umfasst, auch wenn dabei keine konkreten Straftaten vorliegen. Diese Änderung wurde erst im Laufe der Bundestagsberatungen mit Blick auf Zugehörige der »Reichsbürgerszene« in das Gesetz aufgenommen.
Um den Schutz der Hinweisgebenden zu gewährleisten, müssen Behörden und Unternehmen künftig gesonderte interne Anlaufstellen schaffen und auch anonyme Hinweise entgegennehmen. Zusätzlich errichtet der Bund eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz. Die Länder können eigene externe Meldestellen einrichten. Darüber hinaus regelt das Gesetz Verfahren und Vertraulichkeit der Meldungen und sieht Maßnahmen zum Schutz der Hinweisgeber vor Repressalien – aber auch Haftung, Schadensersatz und Bußgelder im Falle bewusst falscher Angaben vor.
Der Freistaat Sachsen hat sich zur Zustimmung zum Gesetz koalitionsbedingt enthalten, da es unterschiedliche Auffassungen insbesondere zu denjenigen Regelungen gibt, die über eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie hinausgehen.
Nachdem der Bundesrat dem Gesetz nicht zugestimmt hat, können nun Bundesregierung und Bundestag den Vermittlungsausschuss anrufen. Geschieht dies nicht, ist das Gesetz gescheitert. Die EU-Kommission leitete bereits Ende Januar 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen nicht fristgerechter Umsetzung der Hinweisgeberschutzrichtlinie ein.
Der Bundesrat hat zum Entwurf des Demokratiefördergesetzes Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme in einem Punkt unterstützt.
Der Entwurf sieht einen ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag vor, bundeseigene Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie, zur politischen Bildung, zur Prävention jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie zur Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt und Teilhabe durchzuführen. Hierzu gehören insbesondere das Bereitstellen von Informationsangeboten und anderer Wissensformate, die Durchführung von Veranstaltungen sowie die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Auch entsprechende Maßnahmen Dritter können finanziell gefördert werden, sofern sie von überregionaler Bedeutung sind und in erheblichem Bundesinteresse liegen. So will die Bundesregierung zivilgesellschaftliches Engagement und politische Bildung in ihrer Qualität erhalten und stärken. Das geplante Gesetz soll ermöglichen, dass Maßnahmen im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischer Bildung längerfristig, altersunabhängig und bedarfsorientierter gefördert werden können als bisher. Es soll die Finanzierung der Maßnahmen nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsgesetzes absichern.
Die nach dem Demokratiefördergesetz geförderten Programme und vergleichbare Maßnahmen sollen zudem wissenschaftlich begleitet werden, um sie auf ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen. Überdies will die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag einmal pro Wahlperiode einen Bericht über die Durchführung und Wirksamkeit der Maßnahmen vorlegen.
Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme des Bundesrates in einem Punkt unterstützt. So fordert der Bundesrat mit den Stimmen Sachsens eine Beteiligung der Länder bei der Umsetzung des beabsichtigten Gesetzes, insbesondere bei der Entwicklung der Förderrichtlinien.
Demokratieministerin Meier würdigte, das die Bundesregierung mit dem Gesetz denen etwas entgegen setze, »die die Demokratie herabwürdigen und das Vertrauen in demokratische Prozesse untergraben wollen.« Sie betonte: »Weder dürfen wir die Demokratie für ein abgeschlossenes Projekt halten, noch dürfen wir sie sich selbst überlassen.«
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung (Demokratiefördergesetz – DFördG)
- Rede von Staatsministerin Katja Meier
- Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung
Der Bundesrat hat zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts im ersten Durchgang Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat Teile der Stellungnahme unterstützt.
Mit dem Gesetzentwurf soll die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt verbessert werden. Ziel ist es mehr Menschen mit Behinderungen in reguläre Arbeit zu bringen, mehr Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Arbeit zu halten und eine zielgenauere Unterstützung für schwerbehinderte Menschen zu ermöglichen.
Hierzu ist unter anderem vorgesehen,
- die Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, für kleinere Arbeitgeber sollen wie bisher Sonderregelungen gelten,
- Inklusionsbetriebe von der Verpflichtung zu entbinden, eigene Beschäftigte an andere Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu vermitteln,
- die Aufhebung der Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit,
- für Leistungen des Integrationsamtes eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf von sechs Wochen einzuführen,
- den Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin neu auszurichten und in der Mitgliederstruktur anzupassen.
Die Länder unterstützen das Anliegen – demzufolge fiel die Stellungnahme, die der Bundesrat abgab, weitgehend unkritisch aus. Neben einigen fachlichen Verbesserungsvorschlägen hatte Sachsen die Ausschussempfehlung unterstützt, die Höhe der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber (mit mindestens 60 Beschäftigten), die keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, zu prüfen. Diese Prüfbitte fand im Bundesrat jedoch keine Mehrheit
Durch das Gesetz wird eine »vierte Staffel« bei der Ausgleichsabgabe eingeführt. Für Arbeitgeber, die keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, würde die Ausgleichsabgabe dann monatlich 720,- Euro betragen. Dies wäre gegenüber der derzeitigen Rechtslage mehr als eine Verdopplung. Sachsen hält dies auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Probleme vieler Wirtschaftszweige für unverhältnismäßig. Auch ein deutlich niedrigerer Betrag hätte eine Antriebsfunktion zur Verbesserung der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
Der Bundesrat hat zum Entwurf eines Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme in Teilen unterstützt.
Der Entwurf soll das Sanktionenrecht im Strafgesetzbuch an aktuelle Entwicklungen anpassen. Damit sollen Resozialisierung und Prävention sowie der Schutz vor Diskriminierungen gestärkt werden. Ziel ist dabei unter anderem, die zu vollstreckenden Ersatzfreiheitsstrafen – also Freiheitsstrafen, die zu verbüßen sind, wenn Geldstrafen nicht bezahlt werden – zu reduzieren. Die Bundesregierung schlägt hierzu vor, den Umrechnungsmaßstab von Geldstrafe in Ersatzfreiheitsstrafe so zu ändern, dass statt einem zukünftig zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen. Auf diese Weise soll sich die Anzahl der Tage der an die Stelle der Geldstrafe tretenden Freiheitsstrafe halbieren.
Weiterhin sollen »geschlechtsspezifische« sowie »gegen die sexuelle Orientierung gerichtete« Tatmotive als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe und Ziele ausdrücklich in die Liste der bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigenden Umstände aufgenommen werden. Dies soll die Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten betonen, die sich gegen LSBTI-Personen richten. Ebenfalls sollen die Möglichkeiten, im Rahmen von Bewährungsaussetzungen und vorläufigen Einstellungsentscheidungen durch ambulante Maßnahmen spezialpräventiv auf Straftäter einzuwirken, bekräftigt und ausgebaut werden. Hierzu normiert der Entwurf ausdrücklich die Möglichkeit einer Therapieweisung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung, der Verwarnung mit Strafvorbehalt und des Absehens von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen. Zudem sieht der Gesetzentwurf Änderungen im Maßregelrecht vor. Er fasst die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt enger. Diese Änderung verfolgt vor allem das Ziel, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wieder stärker auf die verurteilten Personen zu konzentrieren, die aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums und der daraus resultierenden Gefahr, erhebliche rechtswidrige Taten zu begehen, tatsächlich der Behandlung in einer solchen Einrichtung bedürfen.
Auf sächsische Initiative bittet der Bundesrat in seiner Stellungnahme die Bundesregierung u. a. darum klarzustellen, wen die Kostenpflicht für die Maßnahme »Therapie statt Strafe« nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes trifft. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts im August 2021 ist diese Kostenfrage offen, so dass die Maßnahmen häufig nicht mehr durchgeführt werden.
Der Bundesrat hat zum Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen die Stellungnahme weitestgehend unterstützt.
Mit dem Artikelgesetz möchte die Regierungskoalition Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen, damit private und staatliche Investitionen zur Modernisierung des Landes schnell, effizient und zielsicher umgesetzt werden können.
Der Gesetzentwurf soll auf eine Digitalisierung und Beschleunigung von Bauleitplanverfahren bezogene Aufträge aus dem Koalitionsvertrag umsetzen. Er ist Teil eines Maßnahmenpakets der Bundesregierung zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Im Wesentlichen beinhaltet dieser die Umstellung des förmlichen Beteiligungsverfahrens auf ein digitales Verfahren als Regelfall, die Vermeidung von Redundanzen bei Änderung von Planentwürfen sowie die Verkürzung der Fristen zur Genehmigung bestimmter Bauleitpläne.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen. Der Freistaat Sachsen hat insbesondere die Einführung eines standardisierten Datenformats unterstützt.
Der Bundesrat hat einer Verlängerung der Energiesicherungstransportverordnung bis 31. März 2024 mit den Stimmen Sachsens zugestimmt.
Zur Sicherung der Energieversorgung können so vorübergehend Kohle und Mineralöl vorrangig auf der Schiene transportiert werden, wenn es beim Güterverkehr oder in der Binnenschifffahrt eng wird. Die Bundesregierung möchte die ursprünglich bis zum 28. Februar 2023 geltende Verordnung bis Ende März 2024 verlängern, da derzeit keine Verbesserung der geopolitischen Lage zu erwarten ist. Die Verlängerung bedurfte der Zustimmung des Bundesrates.
Die Energieträgertransporte sollen auf einem spezifischen Energiekorridornetz zu Lasten anderer Verkehre vorrangig behandelt werden, wenn dies besonders wichtig ist: Beispielweise um das Leerlaufen von Tanklagern zu verhindern oder um den unterbrechungsfreien Betrieb von Kraftwerken zu gewährleisten.
Die Priorisierung von Energietransporte auf der Schiene muss in sorgfältiger Abwägung, etwa mit dem Personenverkehr getroffen werden. Mit der Verordnung hat die Bundesregierung dafür klare Regeln geschaffen.
Die Eingriffe in den Schienenverkehr sollen so gering wie möglich gehalten werden, um Belastungen des Personen- und Güterverkehrs, etwa Ausfälle und Verspätungen weitestgehend zu vermeiden.
Der Bundesrat hat der zweiten Verordnung zur Änderung der Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung mit den Stimmen Sachsens zugestimmt. Begleitend hat der Bundesrat mit sächsischer Unterstützung eine begleitende Entschließung gefasst.
Der Beschluss sieht die Verlängerung der ursprünglich auf sechs Monate befristeten Regierungsverordnung zur Sicherung der Energieversorgung vor. Die Verordnung war am 1. September 2022 in Kraft getreten und sollte eigentlich nur bis zum 28. Februar 2023 gelten. Aufgrund der weiter anhaltenden Notwendigkeit, Gas und Energie einzusparen, möchte die Bundesregierung die Geltungsdauer bis zum 15. April 2023 verlängern, um weiterhin einer Gasmangellage vorzubeugen. Diese Verlängerung bedurfte – anders als die ursprüngliche Verordnung – der Zustimmung des Bundesrates.
Die Verordnung enthält Vorgaben zum Energiesparen für Privathaushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand – zum Beispiel beim Beheizen von Wohnungen und Arbeitsräumen oder bei der Beleuchtung von Gebäuden, Denkmälern und Werbeanlagen.
Mit einer begleitenden Entschließung warnt der Bundesrat vor dem Risiko einer Gasmangellage, wenn nach dem Ende der Einsparvorgaben Mitte April nicht mehr genug Erdgas eingespart wird, um die Speicherfüllstände ausreichend hoch zu halten. Daher wird die Bundesregierung gebeten, die Gasversorgungslage und die Lage an den Energiemärkten detailliert zu prüfen und die Verordnung bei Bedarf wieder in Kraft zu setzen.