Bundesratspräsident Tillich im Interview mit der Jugendpresse Deutschland
Der Schülerzeitungswettbewerb der Länder (#SZWdL16) gehört zu den größten seiner Art in Deutschland und prämiert seit zwölf Jahren herausragende Leistungen von Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten. 2016 findet die Preisverleihung am 6. Juni im Plenarsaal des Bundesrates statt. Im Vorfeld der Veranstaltung stellte sich der Präsident des Bundesrates und Schirmherr des Wettbewerbs, Stanislaw Tillich, den Fragen der Jugendpresse Deutschland.
Haben Sie zu Ihren Schulzeiten selbst Schülerzeitung gemacht? Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Es gab damals keine Schülerzeitung. Ich ging in der DDR zur Schule, wo es sogenannte »Wandzeitungen« gab, die von Schülerinnen und Schülern gestaltet wurde. Diese waren weder im Thema noch im Inhalt frei. Fast ausschließlich war das eine Form der politischen Einflussnahme und Werbung, im Sinne der Agitation der SED.
Momentan gibt es viel Kritik an Medien und den Journalisten und Journalistinnen selbst. Viele der Vorwürfe werden im Kontext der aktuellen Fluchtbewegungen erhoben. Gab es zu Ihren Schulzeiten gesellschaftliche Ereignisse, die Journalisten und Journalistinnen vor besondere Herausforderungen stellten? Falls ja, welche und inwiefern?
Ich ging bis 1977 zur Schule, also mitten in der Zeit der DDR, in der es keinen freien Journalismus gab. Das heißt, wie die Wirklichkeit und Geschehnisse in der Zeitung wiedergegeben wurden, unterlag den Weisungen der SED. Journalist wurde derjenige, der das Vertrauen der SED genoss. Journalisten wussten, dass sie auch für die kommunistische Ideologie schrieben. Mir ist nicht bekannt, dass es in den DDR-Medien Kritik am Einmarsch sowjetischer Truppen in die Tschechoslowakei zur Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 gab. Ganz anders im Westen Europas.
Als Ministerpräsident ist es auch Ihre Aufgabe, die Anliegen der Bevölkerung, deren Repräsentant Sie sind, ernst zu nehmen. Trifft das auch auf Journalistinnen und Journalisten zu? Wem oder was sind diese ihrer Meinung nach verpflichtet? Um unabhängig und frei berichten zu können, genießen Journalisten in der Ausübung ihres Berufs den Schutz durch das Grundgesetz. Ein Journalist ist der Wahrheit verpflichtet. Aber er übernimmt auch eine entscheidende Funktion für den Meinungsbildungsprozess und ist somit ein wichtiger Akteur innerhalb einer Demokratie.
Dürfen und sollen Journalistinnen und Journalisten politische Positionen beziehen? Wo hört Ihrer Meinung nach Meinungsbildung auf und beginnt Meinungsmache?
Der Einsatz für die Wahrheit verbietet nicht, aus ihr politische Positionen zu entwickeln und diese auch in der Öffentlichkeit zu vertreten. Nur muss immer klar getrennt werden zwischen Fakten und Kommentierung. Wo diese Trennung aufhört, beginnt die Tendenz zur Meinungsmache.
Welche Rolle kommt Schülerzeitungen im Schulleben zu?
Schülerzeitungen sind ein wichtiges Instrument, junge Menschen auf den Umgang mit und die Suche nach Informationen vorzubereiten – anhand von Themen, die eben ausschließlich die Schüler interessieren. In unserer Gesellschaft wird es immer wichtiger, Informationen für die eigene Meinungsbildung zu gewichten und zu verarbeiten. Insofern tragen Schülerzeitungen dazu bei, junge Menschen auf die gelebte Demokratie vorzubereiten.
Schülerzeitungsredaktionen sind in ihrer journalistischen Arbeit häufig mit der Einflussnahme oder (möglicherweise) drohenden Sanktionen durch die Schulleitung konfrontiert. Wie können sie sich Ihrer Meinung nach zu solchen äußeren Zwängen verhalten? Welche Rolle haben Schulleitung und Lehrkräfte dabei?
Jegliche Form der Einflussnahme in die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein ernstes Problem. Schüler sollten sich in solchen Fällen an eine Person ihres Vertrauens wenden. Das können Lehrer, Eltern oder Mitschüler sein. Schulleitung und Lehrkräfte haben hier eine besondere Verantwortung: Sie müssen den Respekt vor der Meinung anderer am eigenen Beispiel vermitteln. Die Freiheit des Andersdenkenden ist ein unerlässlicher Bestandteil in unserer demokratischen Gesellschaft.
Was möchten Sie den prämierten Schülerzeitungsredakteurinnen und -redakteuren auf den Weg geben?
Ihr Einsatz für die demokratische Kultur an Schulen ist beeindruckend. Bleiben Sie so wissbegierig, kritisch und engagiert und mischen Sie sich weiter in politische Prozesse ein. Damit tragen Sie dazu bei, dass die demokratischen Werte auch über die kommenden Generationen hinweg verteidigt und gefestigt werden.