975. Bundesratssitzung vom 15. März 2019
Wichtigste Themen: Verfassungsänderung + Organspenden + Diesel-Maßnahmenpaket + § 219 a StGB + Tabakerzeugnisgesetz + Darknethandel + Kameraüberwachung Schlachthöfe + Flächendeckende Mobilfunkversorgung + Arzneimittelversorgung + Datenaustausch Asyl + BaföG-Reform + A1-Bescheinigung
Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:
Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 975. Sitzung des Bundesrates.
Der Bundesrat hat dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104b, 104c, 104d, 125c, 143e) mit den Stimmen des Freistaates Sachsen zugestimmt. Hierfür war eine 2/3 Mehrheit notwendig.
Der Bundesrat hatte in seiner 973. Sitzung den Vermittlungsausschuss zum entsprechenden Gesetzesbeschluss des Bundestages angerufen. Der Vermittlungsausschuss hatte am 20. Februar 2019 eine Lösung präsentiert, der der Bundestag bereits am 21. Februar 2019 mit der notwendigen 2/3 Mehrheit zugestimmt hat.
Von besonderer Bedeutung ist aus Sicht Sachsens, dass in der Formulierung des Vermittlungsausschusses zu Art. 104 c GG (Finanzierung der Bildung) insbesondere die Bezugnahme auf die »Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens« entfallen ist. Dies hätte aus Sicht Sachsens in unzumutbarer Weise in die Bildungshoheit der Länder eingegriffen, die ausschließlich für die Sicherung Qualität des Bildungswesens zuständig sind. Die Mitfinanzierungkompetenz des Bundes bezieht sich nach der neuen Formulierung auf »gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie besondere, mit diesen unmittelbar verbundene, befristete Ausgaben der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur«. Ergänzend konnte auch verhindert werden, dass der Bund im Bereich der Bildungsfinanzierung zusätzlich unangemessene Kontrollbefugnisse erhält.
Verbesserungen konnten auch bei der Kofinanzierungspflicht der Länder (Art. 104 b Abs. 2 Satz 5) erreicht werden: Während der Gesetzentwurf eine mindestens hälftige Kofinanzierung durch die Länder vorsah, wird im Ergebnis des Vermittlungsverfahrens lediglich eine in der Höhe unbestimmte Pflicht zur Kofinanzierung durch die Länder festgelegt. Aus Sicht Sachsens ist hervorzuheben, dass in einer Begleiterklärung festgestellt wird, dass diese grundsätzliche Kofinanzierungspflicht nicht automatisch auch für die Mittel aus dem sogenannten »Kohlekompromiss« gilt.
Insgesamt konnten damit im Vermittlungsausschuss in allen strittigen Punkten deutliche Verbesserungen für die Länder erreicht werden.
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Sachsens wichtigen Änderungen im Transplantationsgesetz zugestimmt.
Die Änderungen sollen zu Verbesserungen in der Zusammenarbeit und bei den Strukturen der Organspende führen. Regelungen zu der Frage »Organspende und Widerspruchslösung«, die zuletzt die öffentliche Diskussion geprägt hatten, sind in diesem Gesetz nicht enthalten.
Für schwerkranke Menschen ist eine Organtransplantation oftmals die einzige Möglichkeit, zu überleben oder ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen zu können. In Deutschland sind die Wartezeiten auf ein Spenderorgan im internationalen Vergleich hoch. Zugleich sinkt die Anzahl an Personen, die sich zu einer Organspende bereiterklären.
Ein Ansatz, um diesen Trend umzukehren, liegt nach Auffassung des Gesetzgebers in der Verbesserung der Abläufe in den Kliniken. Die Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern müssen eine Schlüsselfunktion bei der Erkennung und Meldung von potentiellen Organspendern im klinischen Alltag wahrnehmen können. Hierzu gehört der notwendige Freiraum und die erforderliche Durchsetzungsbefugnis. Zudem soll eine bessere Vergütung die Entnahmekrankenhäuser von wirtschaftlichen Risiken entlasten und damit finanzielle Hemmnisse abbauen. Dazu kommen weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Prozessablaufs in der Organspende wie die flächendeckende Bereitstellung eines konsiliarärztlichen Rufbereitschaftsdienstes und rechtliche Grundlagen für die Angehörigenbetreuung.
Die sächsische Staatsregierung geht davon aus, dass die konkreten Regelungen zur Freistellung der Transplantationsbeauftragten, die Neugestaltung der Finanzierung und die Einführung eines Qualitätssicherungssystems dazu beitragen, die aktuelle Situation bei der Organspende zu verbessern. Mit der Einführung des Qualitätssicherungssystems sowie der Stärkung der Transplantationsbeauftragten dürfte sich letztendlich auch das Meldeverhalten, welches entscheidend für die Zahl der Organspender ist, in den Entnahmekrankenhäusern verbessern.
Sachsen hat den Kompromiss der Koalitionspartner auf Bundesebene im Bundesrat unterstützt. Nach intensiven Verhandlungen hat sich die Koalition auf Regelungen geeinigt, die einen verbesserten Zugang zu Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Diese Regelungen wurden nun auch im 2. Durchgang mit der Mehrheit der Länder im Bundesrat bestätigt, sodass das Gesetz nach seiner Verkündung in Kraft treten kann.
Hierzu sieht das Gesetz eine Ergänzung von § 219a Strafgesetzbuch vor. Danach dürfen Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und andere Einrichtungen darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Sie sollen darüber hinaus weitere Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch durch Hinweise – insbesondere durch Verlinkung in ihrem Internetauftritt – auf entsprechende Informationsangebote neutraler Stellen zugänglich machen dürfen. Werbende Handlungen bleiben aber weiterhin verboten.
Außerdem soll durch Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes die Bundesärztekammer eine zentrale Liste mit Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern und Einrichtungen führen, die mitgeteilt haben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Voraussetzungen durchführen. Diese monatlich zu aktualisierende Liste enthält auch Angaben über die dabei jeweils angewendeten Methoden.
Durch die Regelungen wird dem Bedürfnis Rechnung getragen, sich im digitalen Zeitalter im Internet umfassend zu informieren. Zudem wird Rechtssicherheit bei Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und Einrichtungen in Bezug auf erlaubte und verbotene Informationsmöglichkeiten geschaffen.
Daneben werden Verhütungspillen länger von der Krankenkasse bezahlt – die Altersgrenze für Versicherte, die Anspruch auf Versorgung mit verschreibungspflichtigen, empfängnisverhütenden Mitteln haben, wird vom vollendeten 20. auf das vollendete 22. Lebensjahr heraufgesetzt.
Sachsen unterstützt mit der Mehrheit der Länder die Einführung eines neuen Straftatbestandes für das Betreiben von Handelsplattformen für illegale Waren und Dienstleistungen im zugangsbeschränkten Internet (sogenanntes Darknet). Straftäter nutzen vermehrt die Möglichkeiten der Anonymisierung im Darknet, um Straftaten zu begehen. Hierzu gehören u.a. der Handel mit Betäubungsmitteln, Kinderpornographie oder Waffen. Die Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen haben deshalb einen Gesetzesentwurf vorgelegt.
Der Entwurf führt einen neuen Tatbestand des Anbietens von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten ein. Der Tatbestand erfasst ausschließlich internetbasierte Angebote in hinsichtlich Zugang und Erreichbarkeit beschränkten Netzwerken und setzt die Ausrichtung der Leistung auf die Ermöglichung von Delikten, deren Begehung besondere Gefahren für die öffentliche Sicherheit begründen, voraus. Ergänzt wird der Grundtatbestand durch eine Qualifikation im Falle gewerbsmäßiger Begehung. Der Grundtatbestand sieht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor, für die gewerbsmäßige Begehung sieht der Qualifikationstatbestand eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.
Die geltende Rechtslage bietet bisher keine ausreichende strafrechtliche Handhabe gegen derartige Angebote im Darknet. Da die Betreiber lediglich die technische Infrastruktur zur Verfügung stellten, könnten sie allenfalls über eine Beihilfehandlung belangt werden. Diese ist in der Regel aber schwer nachzuweisen. Demgegenüber erhalten illegale Onlinehandelsplattformen in der Strafverfolgung zunehmend Bedeutung. Das Bundeskriminalamt rechnet mit dem Ausbau dieser Geschäftsmodelle
Die Thematik ist Ergebnis der Länderarbeitsgruppe »Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht«. Sachsen hat sich bereits in der Arbeitsgruppe für die Einführung einer Strafbarkeit ausgesprochen, um Strafbarkeitslücken zu schließen. Nunmehr liegt es am Deutschen Bundestag über den Gesetzesentwurf zu entscheiden.
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Sachsens in einer Entschließung die Kameraüberwachung von Schlachthöfen gefordert.
Mit der Entschließung soll erreicht werden, dass in Schlachthöfen in Deutschland verbindlich kameragestützte Überwachungssysteme eingeführt werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, baldmöglichst einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Dabei sind die Datenschutzrechte betroffener Personen sicherzustellen. Zudem müsse den amtlichen Überwachungsbehörden uneingeschränkt Zugriff auf das Material eingeräumt werden.
Die Kameras sollen in den besonders tierschutzrelevanten Bereichen Entladung, Zutrieb, Betäubung und Entblutung eines Schlachthofes installiert werden. Die Schlachthöfe können so dokumentieren, dass dort verantwortungsvoll und tierschutzgerecht gearbeitet werde. Das schaffe Vertrauen in der Öffentlichkeit und unterstütze die Arbeit der Kontrolleure.
In einer zusätzlich beschlossenen Maßgabe, die der Freistaat Sachsen ebenfalls unterstützt hat, werden weitere materielle Verbesserungen beim Tierschutz im Prozess der Schlachtung gefordert. Insbesondere werden tierschutzgerechte Betäubungsmethoden und eine Abkehr von der Akkordarbeit gefordert.
Die Entschließung, die mit den Stimmen Sachsen beschlossen wurde, drängt der Bundesrat auf eine flächendeckende Mobilfunkversorgung als Grundlage der Gigabit Gesellschaft.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die bevorstehende Vergabe der sogenannten 5G-Frequenzen an eine flächendeckende Versorgung zu knüpfen. Auf Verstöße gegen die Versorgungsauflagen müssten effektive Sanktionen folgen. Zudem müssten der Bundesnetzagentur weitere Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Netzbetreibern an die Hand gegeben werden.
Der Bundesrat sieht den Bund verfassungsrechtlich in der Pflicht auch im Bereich der Mobilfunkversorgung für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. Es werde deshalb erwartet, dass der Bund alle gesetzlichen und finanziellen Aktivitäten prüft, um eine vollständige Flächenversorgung sicherzustellen. Die Weiterentwicklung zur Gigabitgesellschaft könne nur erreicht werden, wenn der flächendeckende Ausbau mit 4G und Glasfaser realisiert werde. Um dies zu erreichen, sollten ergänzend zum Breitbandförderprogramm des Bundes ein Mobilfunkförderprogramm des Bundes oder andere monetäre Anreizsysteme geschaffen werden, um Versorgungslücken zu schließen.
Der Bundesrat hat zum Gesetz zu mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung Stellung genommen.
Mit dem Gesetzentwurf werden Maßnahmen für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung getroffen. Vollzugserfahrungen im Bereich des Arzneimittelrechts, verschiedene Vorkommnisse mit gefälschten und verunreinigten Arzneimitteln sowie die Anpassung an europäisches Recht machen diese Änderungen notwendig.
So werden unter anderem die Rückrufkompetenzen der zuständigen Bundesoberbehörden in Bezug auf Arzneimittel erweitert. Die Koordinierungsfunktion der zuständigen Bundesoberbehörden wird gestärkt, um insbesondere in Fällen drohender Versorgungsmängel ein zeitnahes und bundeseinheitliches Vorgehen sicherzustellen. Darüber hinaus gehen in festgelegten Fällen Gewährleistungsansprüche der Apotheken gegenüber pharmazeutischen Herstellern und Arzneimittelgroßhändlern auf die Krankenkassen über, wenn ein abgegebenes Arzneimittel mangelhaft ist. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung wird die Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss verbessert. Um eine sachgerechte Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien sicherzustellen, wird der Gemeinsame Bundesausschuss zudem ermächtigt, Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beschließen. Der Gesetzentwurf enthält außerdem einen Fahrplan zur Einführung des elektronischen Rezepts. Darüber hinaus plant die Bundesregierung, die Ausbildung und Zulassung von Zahnärztinnen und Zahnärzten künftig ohne die Zustimmung des Bundesrates mittels Rechtsverordnung regeln zu können.
Deutliche Kritik übt der Bundesrat mit den Stimmen Sachsen am Plan der Bundesregierung, die Approbationsordnung für Zahnmedizin künftig ohne Beteiligung des Bundesrates zu erlassen. In seiner Stellungnahme erinnert der Bundesrat daran, dass in erster Linie die Länder für Ausbildung und staatliche Prüfung der Zahnmediziner zuständig sind. Die geplante Abschaffung des Zustimmungserfordernisses stellt aus Sicht des Bundesrates einen eklatanten Eingriff in die Verwaltungshoheit der Länder dar.
Im Bereich der Grippeimpfstoffe fordert der Bundesrat die Verpflichtung für die pharmazeutischen Unternehmer, die Preise für Grippeimpfstoffe jährlich zum 1. März für die Grippesaison des darauffolgenden Winters zu veröffentlichen. Hierdurch soll Verunsicherungen von Apotheken und Ärzteschaft vorgebeugt werden um Engpässe wie in der Impfsaison 2018/2019 zu vermeiden. Da die Preise zum Bestellzeitraum nicht bekannt waren, war nur zögerlich Impfstoff bestellt worden. Es wurde darauf gehofft, dass zeitnahe Nachbestellungen bei den Herstellern möglich sind – was vorliegend nicht der Fall war.
Der Bundesrat hat sich erstmals mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken befasst und eine Stellungnahme beschlossen.
Seit Inkrafttreten des Datenaustauschverbesserungsgesetzes im Jahr 2016 ist es möglich, Asyl- und Schutzsuchende sowie unerlaubt Eingereiste und Aufhältige frühestmöglich zentral zu registrieren und die erfassten Daten den relevanten öffentlichen Stellen im Ausländerzentralregisters (AZR) medienbruchfrei zur Verfügung zu stellen. Ziel des Gesetzentwurfs ist die weitere Verbesserung der Registrierung und des Datenaustauschs zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken. Mit dem Gesetzentwurf werden die Nutzungsmöglichkeiten des Ausländerzentralregisters weiterentwickelt, um die Aufgaben, die nach der Verteilung von Asyl- und Schutzsuchenden auf die Länder und Kommunen bestehen, effizienter organisieren und steuern zu können. Der Abruf von Daten aus dem AZR »in Echtzeit« wird weiteren Behörden ermöglicht: Zukünftig können auch die Jugendämter, die Staatsangehörigkeits- und Vertriebenenbehörden, die Träger der Deutschen Rentenversicherung, das Auswärtige Amt und seine Auslandsvertretungen sowie das Bundesamt für Justiz Daten im automatisierten Verfahren aus dem AZR abrufen. Daneben werden Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit sowie zur besseren Steuerung der freiwilligen Ausreise und der Rückführung umgesetzt.
Der Gesetzentwurf enthält zudem Regelungen zur Verbesserung der Registrierung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern. So werden die Jugendämter gesetzlich verpflichtet, künftig dafür Sorge zu tragen, dass die unbegleiteten minderjährigen Ausländer unverzüglich erkennungsdienstlich behandelt und die Daten an das AZR übermittelt werden. Ferner wird das Mindestalter für die Abnahme von Fingerabdrücken vom 14. Lebensjahr auf das sechste herabgesetzt. Insbesondere diese Regelung ist zwischen A- und B-Ländern umstritten. In seiner Stellungnahme fordert der Bundesrat deshalb die Streichung der Absenkung des Mindestalters für die Abnahme von Fingerabdrücken auf sechs Jahre. Diese Forderung wurde vom Freistaat Sachsen nicht unterstützt.
Perspektivisch sieht der Bundesrat die Notwendigkeit, das AZR als »Integrations-Datenbank« weiterzuentwickeln, um die erforderlichen Integrationsprozesse besser abbilden und koordinieren zu können. Zu dieser Frage hat sich Sachsen enthalten.
Mit dem Entwurf des nunmehr 26. Gesetzes zur Änderung des Berufsausbildungsgesetzes (BAföG) soll das BAföG bedarfsgerecht an aktuelle Entwicklungen angepasst werden, um förderungsbedürftige Auszubildende besser zu erreichen. Der Bundesrat hat zum Entwurf Stellung genommen.
Mit der vorgeschlagenen Änderung werden Konsequenzen aus den seit der letzten Anhebung im Herbst 2016 gesammelten Daten gezogen. Die Bedarfssätze sollen zweistufig zum jeweiligen Wintersemester im Jahr 2019 um 5 Prozent und 2020 um 2 Prozent erhöht werden, während der Wohnzuschlag für auswärts wohnende Studierende auf 325 € angehoben werden soll. Auch die Einkommensfreibeträge sollen dreistufig zwischen den Jahren 2019 und 2021 um 7 Prozent, 3 Prozent und 6 Prozent erhöht werden. Zudem ist eine Anhebung des Vermögensfreibetrags ab 2020 von derzeit 7 500 € auf künftig 8 200 € sowie eine Anpassung der Sozialpauschalen vorgesehen. Ferner sollen durch neue Regelungen zur Rückzahlungsverpflichtung und zum Erlass des Darlehens Verschuldungsängste, die von der Aufnahme eines Studiums abhalten könnten, aufgefangen werden. Die Bundesregierung erwartet durch diese Maßnahmen eine Erhöhung der zuletzt rückläufigen Anzahl der durch BAföG Geförderten. Der Bund will für diese BAföG-Novelle 1 Mrd. € bereitstellen.
Sachsen hat sich entsprechend der Festlegung im sächsischen Koalitionsvertrag für die Förderung von Teilzeitausbildungen und – nach dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens – die Aufhebung der Altersgrenze eingesetzt, außerdem für die Förderfähigkeit gemischter Fachoberschulklassen, die Öffnung des BAföG für hochschulrechtlich zugelassene Modelle eines Orientierungsstudiums und die Nichtanrechnung der Aufwandsentschädigung im Praktischen Jahr der Medizinerausbildung auf das BAföG. Die sächsischen Anliegen erhielten in der Plenarsitzung des Bundesrates am 15. März zum großen Teil eine Mehrheit.
Der Bundesrat hat einen Folgebeschluss zur Europäischen Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gefasst. Zum ursprünglichen Verordnungsvorschlag (BR-Drucksache 761/16) hatte der Bundesrat in seiner 954. Sitzung am 10. März 2016 eine Stellungnahme verabschiedet.
Mit dem Folgebeschluss fordert der Bundesrat die Bundesregierung mit den Stimmen Sachsen auf, sich in der anhängigen Überarbeitung (Trilog) der Verordnung dafür einzusetzen, dass die Ausstellung von A1-Bescheinigungen für kurzfristige Dienst- und Geschäftsreisen ins EU-Ausland aufgehoben oder aber zumindest flexibler gehandhabt wird.
Die A1-Bescheinigung ist der Nachweis, dass der Arbeitnehmer den deutschen Sozialversicherungsvorschriften unterliegt. Die EU-Koordinierungsregeln der Verordnung (EG) 883/2004 und (EG) 987/2009 besagen, dass Dienstreisende verpflichtet sind, selbst bei kurzfristigen, eintägigen Dienstreisen/Entsendungen ins Ausland eine A1-Bescheinigung einzuholen und mit sich zu führen. Bei Kontrollen an den ausländischen Arbeitsstellen kann sonst der Zutritt zum Firmen- oder Messegelände verweigert oder die sofortige Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge nach dem Recht des Aufenthaltsstaates angeordnet werden. In zahlreichen Ländern werden Leistungen aus der Unfallversicherung nach einem Arbeitsunfall nur gegen Vorlage der europäischen Krankenversichertenkarte und der A1-Bescheinigung gewährt. Es gilt Mitführungspflicht, deshalb sollte die Bescheinigung vor dem anstehenden Auslandseinsatz beschafft werden.
Diese Verpflichtung wurde vielen Betroffenen jedoch erst durch die Einführung des obligatorischen elektronischen Antrags- und Bescheinigungsverfahrens bewusst. Darüber hinaus haben einige Mitgliedstaaten (Österreich, Frankreich) die entsprechenden Kontrollen verschärft. Die Sozialversicherungsträger gehen davon aus, dass das Antragsvolumen bezüglich der A1-Bescheinigung durch die Änderungen zum 1. Januar 2019 stark zunehmen und ein erheblicher Bürokratieaufwand damit verbunden sein wird. Hier sieht der Bundesrat und auch der Freistaat Sachsen erheblichen Vereinfachungsbedarf.
Der Bundesrat hat die eigentlich geplante Abstimmung über das Gesetz zur Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen am 15. März 2019 erneut von der Tagesordnung abgesetzt. Es benötigt die Zustimmung des Bundesrates, um in Kraft treten zu können. Bereits am 15. Februar 2019 war die Vorlage kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt worden, weil sich keine Mehrheit für die Vorlage abzeichnete.
Auf Antrag eines Landes oder der Bundesregierung könnte das Gesetz erneut in einer der nächsten Bundesratssitzungen behandelt werden.
Der Gesetzentwurf ist die nationale Umsetzung der EU-Tabakrichtlinie. Diese sieht die Einführung eines Systems der Rückverfolgung der Herkunft von Tabakerzeugnissen und eines Sicherheitsmerkmales vor. Diese Regelungen sollen für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen ab dem 20. Mai 2019 EU-weit in Kraft treten und für die übrigen Tabakerzeugnisse im 20. Mai 2024. Durch dieses System soll der illegale Handel mit Tabakerzeugnissen unterbunden werden und ebenfalls die Echtheit der Tabakprodukte gewährleistet werden. Wie im EU-Recht vorgeschrieben, soll eine unabhängige Stelle, in Deutschland die Bundesdruckerei, die individuellen Erkennungsmerkmale für Einzelverpackungen und aggregierte Verpackungen generieren und ausgeben.
In seiner Stellungnahme zum zugrundeliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte der Bundesrat im September letzten Jahres gebeten, die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Rückverfolgbarkeitssystem den Zoll- und Finanzbehörden des Bundes zu übertragen, da diese auch schon für die Steuerzeichen zuständig sind. Bundesregierung und Bundestag haben dieses Anliegen jedoch abgelehnt – sie sehen die Zuständigkeit bei den Länderbehörden. In dieser Frage wurde bisher keine Lösung zwischen dem Bund und den Ländern gefunden.
Der Bundesrat hat die vom Bundestag beschlossene Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie das Neunte Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes mit den Stimmen Sachsens gebilligt. Die Gesetze können somit wie geplant in Kraft treten.
Mit der Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes will die Bundesregierung mögliche Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge aufgrund der Überschreitung des EU-Grenzwertes für Stickstoffdioxid einschränken.
Fahrverbote sollen künftig nur dann verhältnismäßig sein, wenn in den betroffenen Gebieten ein Jahresmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten wird. Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Einhaltung dieses Grenzwertes kann aber bei geringfügigen Überschreitungen (bis 50 Mikrogramm) auch mit anderen Maßnahmen erreicht werden sind. So stehen den betroffenen Kommunen 1,5 Milliarden Euro im Rahmen des Sofortprogramms ‚Saubere Luft 2017-2020‘ zur Verfügung, um mit Investitionen beispielsweise in Verkehrsinfrastruktur oder den ÖPNV die Grenzwerte zu erreichen.
Mit dem Gesetz wird ebenfalls geregelt, dass es unverhältnismäßig ist, Fahrzeuge mit geringen Stickstoffoxidemissionen, also Euro-4- und Euro-5-Fahrzeuge, die weniger als 270 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen, sowie Euro-6-Fahrzeuge mit Fahrverboten zu belegen. Außerdem sollen unter bestimmten Bedingungen nachgerüstete Busse, schwere Kommunalfahrzeuge und Handwerker- und Lieferfahrzeuge (2,8 bis 7,8 Tonnen) von den Verboten ausgenommen werden.
Die durch den Bundestag geänderte Fassung bezieht sich vor allem auf Klarstellungen bei den Ausnahmen. So sollen auch schwere Fahrzeuge (ab 3,5t) der privaten Entsorgungswirtschaft unter bestimmten Bedingungen bundesweit einheitlich von Verkehrsverboten ausgenommen werden. Erweitert wurden außerdem die Ausnahmen für Handwerkerfahrzeuge, diese sollen nicht nur in besonders belasteten Gebieten, sondern bundesweit gelten. Neu eingefügt wurde zudem, dass lokale Behörden künftig weitere Ausnahmen von den Fahrverboten erlassen können.
Mit dem Neunten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes sind nunmehr Regelungen für die Überprüfung der Einhaltung von Fahrverboten wegen Grenzwertüberschreitungen bei den Stickstoffdioxid-Emissionen auf den Weg gebracht worden.
In der vom Bundestag beschlossenen, geänderten Fassung wird u.a. festgeschrieben, dass es sich um »stichprobenartige Überprüfungen mit mobilen Geräten« und nicht um flächendeckende Überprüfungen handeln solle. Eine verdeckte Datenerhebung ist unzulässig – ebenso wie Bewegtbildaufzeichnungen (Videoaufzeichnungen). Was die Löschfrist der Daten angeht, ist geregelt, dass die Daten im Falle des berechtigten Befahrens der Fahrverbotszone unverzüglich zu löschen sind; andernfalls müssen diese nach maximal zwei Wochen gelöscht werden, »selbst wenn die Verfolgung eines Verstoßes dadurch gehindert werden würde«.
Mit diesen Änderungen ist den vom Bundesrat geäußerten Bedenken aus dem 1. Durchgang im Wesentlichen Rechnung getragen worden.