959. Bundesratssitzung vom 7. Juli 2017
Wichtigste Themen: Angleichung der Netzentgelte | Entsorgung von Styropor | Bekämpfung Einbruchsdiebstahl | Verbot der Kinderehe | Angleichung der Ost-Renten | Parteienfinanzierung radikaler Parteien | Pflegeberufe | Regelungen für soziale Netzwerke | Urheberrechte in der Wissenschaft | Hofraumverordnung | Naturschutz
Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:
Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 959. Sitzung des Bundesrates.
Nach langem Ringen der Koalitionspartner im Bundestag um ein Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG), welches die finanziellen Lasten des Netzausbaus auf neue Grundlagen stellt, hat nun auch der Bundesrat dem gefundenen Kompromiss des Bundestages zugestimmt.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ab dem Jahr 2019 in vier Jahresschritten die Netzentgelte bundesweit angeglichen werden. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit der Netzkosten geleistet.
Der Freistaat Sachsen hat sich bis zuletzt für eine sofortige Angleichung eingesetzt, aber diese Lösung war nicht erreichbar, weil westdeutsche Länder Nachteile für ihre Unternehmen geltend machten. Durch die Vereinheitlichung, die 2023 abgeschlossen sein wird, sinken diese Übertragungsnetzentgelte in den neuen Bundesländern aus heutiger Sicht um etwa 20 %. Für den Normalhaushalt bedeutet das voraussichtlich einige Euro im Jahr, für einen mittleren Industriebetrieb kann dies aber auch schnell einige 10.000 Euro ausmachen.
Somit wird ein Standortnachteil der »neuen Länder«, insbesondere bei der Ansiedlung von Industrieunternehmen, beseitigt. Gleichzeitig wird für bereits ansässige Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt.
Auch für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die zumeist von Kommunen betrieben werden, wird Investitions- und Planungssicherheit geschaffen. Während die Förderung durch sogenannte vermiedene Netzentgelte ab 2018 bei volatilen Anlagen wie Wind und Photovoltaik schrittweise abgeschafft werden, bleiben sie für die steuerbaren Erzeugungsanlagen im Bestand erhalten. Sie werden auf dem Basiswert des Jahres 2016 gedeckelt. Ausschließlich für Neuanlagen wird die Förderung ab dem Jahr 2022 abgeschafft.
Rede von Staatsminister Dr. Jaeckel:
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Der Bundesrat hat über eine Verordnung der Bundesregierung abgestimmt, die die Entsorgung von Styropordämmplatten vereinfachen soll.
Wärmedämmplatten mit dem Brandschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) werden dann nicht mehr als gefährlicher Sondermüll eingestuft und brauchen keine Sondergenehmigung zur Entsorgung. Allerdings gilt für sie ein Getrenntsammlungsgebot und ein Vermischungsverbot mit anderem Bauschutt.
Hintergrund: Im Oktober letzten Jahres waren Styroporplatten, die HBCD enthalten, wegen nationaler Vorgaben, die über europäisches Recht hinausgingen, als gefährlicher Abfall eingestuft worden. Sie durften deshalb nicht mehr zusammen mit anderem Bauschutt, sondern nur mit Sondergenehmigung verbrannt werden. Seitdem geriet die Entsorgung erheblich ins Stocken, da viele Müllverbrennungsanlagen die erforderliche Sondergenehmigung nicht besaßen. Die wenigen Anlagen mit Genehmigung verlangten sehr hohe Vergütungen. Dies führte zu Unmut bei vielen Hausbesitzern und Sanierungsfirmen.
Der Freistaat Sachsen hatte Anfang Dezember 2016 in der Umweltministerkonferenz, eine Initiative zur bundeseinheitlichen und rechtssicheren Regelung der thermischen Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmstoffen (Styropor) eingebracht und hat sich auch im Bundesrat hierfür eingesetzt. Auf Anregung des Bundesrates wurde daraufhin die Einstufung von HBCD als gefährlicher Sondermüll Ende Dezember 2016 befristet für ein Jahr ausgesetzt, um den akuten Entsorgungsengpass zu lindern. Inzwischen haben sich die Fachgremien von Bund und Ländern auf rechtskonforme und bundeseinheitliche Entsorgungsvorschriften geeinigt. Sie enthalten auch Anforderungen an den Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung oder gemeinwohlverträglichen Beseitigung.
Die Verordnung soll zum Monatsbeginn nach der Verkündung in Kraft treten.
Der Bundesrat hat das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 21 GG) und das Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung mit den Stimmen Sachsens beschlossen.
Mit dem Gesetzespaket wird der Umgang mit Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen, zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, neu geregelt.
Hintergrund für das gesetzgeberische Handeln ist die Urteilsbegründung im zweiten NPD-Verbotsverfahren. Mit Urteil vom 17. Januar 2017 – Az. 2 BvB 1/13 – hat das Bundesverfassungsgericht zwar die Verfassungsfeindlichkeit der NPD festgestellt, aber ein Parteiverbot nach Artikel 21 GG aufgrund der derzeit geringen Einflussnahme auf die politische Willensbildung abgelehnt. Zugleich hatte das Bundesverfassungsgericht jedoch Möglichkeiten eines Vorgehens gegen Parteien, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen, unterhalb der Schwelle eines Parteienverbotes aufgezeigt.
Durch Änderung der Verfassung (Artikel 21 GG) können künftig Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Mitglieder darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen, zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, von staatlicher Finanzierung und steuerlicher Begünstigung ausgeschlossen werden. Über den Ausschluss von der Parteienfinanzierung soll – wie über ein Verbotsverfahren auch – das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Hierzu wird ein Verfahren geschaffen, das ggf. hilfsweise zu einem Verbotsverfahren betrieben werden kann. Der Ausschluss von der Parteienfinanzierung erstreckt sich zudem auf Ersatz- und Nachfolgeorganisationen und ist auf sechs Jahre befristet. Auf Antrag des Bundestages, des Bundesrates oder der Bundesregierung kann das Bundesverfassungsgericht eine Verlängerung des Ausschlusses anordnen. Die Entscheidung über eine solche Verlängerung kann dabei ohne mündliche Verhandlung ergehen und auf Antrag wiederum verlängert werden.
Weiterhin sieht das Gesetzespaket Änderungen im Bundesverfassungsgerichtsgesetz, im Parteiengesetz sowie in mehreren Steuergesetzen vor, die den Ausschluss von der Parteienfinanzierung einfachgesetzlich umsetzen.
Der Bundesrat hat zugleich einstimmig eine Entschließung verabschiedet, mit der der Bundesrat seine Auffassung, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und daher von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden muss, nochmals bekräftigt. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung wird der Bundesrat einen Antrag auf Verfahrenseinleitung beim Bundesverfassungsgericht vorbereiten, damit das entsprechende Verfahren zügig eingeleitet werden kann. Der Bundesrat strebt dabei einen gemeinsamen Antrag mit dem Bundestag und der Bundesregierung an.
Das Gesetz tritt nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
Das sogenannte Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz hat mit sächsischer Unterstützung den Bundesrat passiert.
Mit dem Gesetz werden die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Osten in sieben Schritten beginnend mit der Rentenanpassung zum Juli 2018 auf das Niveau des aktuellen Rentenwertes im Westen angehoben.
Der Freistaat Sachsen hatte sich zusammen mit den Ländern Berlin und Brandenburg schon bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs im Bundesrat im März diesen Jahres und im weiteren Gesetzgebungsverfahren dafür verwendet, dass die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern nicht schlechter gestellt werden als ohne Gesetz (siehe TOP 21 der 956. Bundesratssitzung am 31. März 2017).
Dieses Ansinnen ist vom Deutschen Bundestag im Wesentlichen durch eine Änderung des ursprünglichen Gesetzestextes aufgegriffen worden.
Nach der Verabschiedung im Bundestag billigte nun auch der Bundesrat das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen. Sachsen unterstützte das Vorhaben von Anfang an.
Im Interesse des Kindeswohls wird das Ehemündigkeitsalter im deutschen Recht ausnahmslos nunmehr auf 18 Jahren festgelegt. Dieser Grundsatz soll künftig sowohl bei im Inland als auch bei im Ausland geschlossenen Ehen gelten, damit die Entwicklungschancen Minderjähriger nicht durch eine zu frühe Eheschließung beeinträchtigt werden. Derzeit kann auch nach deutschem Recht unter bestimmten Voraussetzungen die Ehe ab dem Alter von 16 Jahren eingegangen werden. Auch andere Rechtsordnungen erlauben eine Eheschließung bereits vor Erreichen der Volljährigkeit. In den Fokus gerückt sind die sog. Kinderehen insbesondere im Zuge der Einreise von Flüchtlingen. Wurde die Ehe im Ausland geschlossen, ist diese nach derzeitiger Rechtslage auch im Fall einer »Kinderehe« grundsätzlich anzuerkennen, ggf. selbst wenn ein Ehepartner das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht hat. Nach dem Gesetzentwurf sollen nun Rechtsunsicherheiten beseitigt und Ehen aufgehoben werden, wenn ein Ehepartner im Zeitpunkt der Eheschließung zwar nicht volljährig war, aber zumindest das 16. Lebensjahr vollendet hatte. War ein Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht einmal 16 Jahre alt, wird die Ehe sogar als nicht bestehend behandelt; aufgrund einer solchen »Nichtehe« bestehen keinerlei eherechtliche Verpflichtungen.
Diese differenzierte Lösung ist das Ergebnis einer langen politischen Debatte. Sachsen hat sich im Bundesrat von Anfang an dafür eingesetzt, dass der gefundene Kompromiss zum Wohl der betroffenen Minderjährigen nicht aufgeweicht wird.
Auf Drängen des Freistaates Sachsen hat die Bundesregierung dem Bundesrat eine neue Hofraumverordnung zur Abstimmung vorgelegt. Der Bundesrat unterstützte das sächsische Anliegen einstimmig.
Als »Erbe« der preußischen Vergangenheit bestehen vor allem in Nordsachsen teilweise immer noch sog. ungetrennte Hofräume. Hierbei handelt es sich um Grundstücke, die rechtlich aus verschiedenen Teilen bestehen, aber im Einzelnen weder vermessen noch katastermäßig erfasst sind. Da sich die Lage und Größe der Teilgrundstücke nicht aus dem Grundbuch ergibt, sind Anteile an ungetrennten Hofräumen nicht verkehrsfähig. D.h. an diesen kann ohne Sonderanordnung kein Recht eingeräumt werden. Bis Ende 2015 behalf sich der Gesetzgeber mit der sog. Hofraumverordnung, die hinsichtlich der Einzelgrundstücke auf das Gebäudesteuerbuch und hilfsweise auf den Einheitswert-, den Grundsteuer-, den Grunderwerbssteuer- und den Abwassergebührenbescheid abstellte. Nach dem Auslaufen der Hofraumverordnung stellte sich jedoch heraus, dass in Nordsachsen noch immer rund 570 Hofräume nicht aufgelöst sind. Die Flurbereinigungsverfahren laufen zwar, mit einem Abschluss rechnen die zuständigen Behörden aber nicht vor 2020. Um Eigentümer möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen, hatte Sachsen Ende Januar eine weitere Übergangsregelung nach dem Vorbild der ausgelaufenen Vorgängerregelung erarbeitet, die die Bundesregierung im Wesentlichen nunmehr aufgegriffen hat. Damit bleibt Eigentümern auch eine teure Einzelvermessung als Alternative zum Flurbereinigungsverfahren erspart.
Abweichend vom sächsischen Vorschlag enthält die neue Hofraumverordnung jedoch eine Befristung bis zum 31. Dezember 2025.
Die Bundesregierung hatte dem Bundesrat eine Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vorgelegt. Die Bundesratsausschüsse hatten hierzu mit den Stimmen Sachsens zahlreiche Maßgaben vorgeschlagen.
Zukünftig sollten gemäß dem Regierungsentwurf schwere Verstöße gegen das Gebot zur Bildung einer Rettungsgasse mit einem Punkt sowie mit bis zu 115 Euro bestraft werden. Dem Bundesrat war das zu wenig, er wollte die Bundesregierung deshalb in einer Maßgabe auffordern, das Bußgeld für das Nichtbilden einer Rettungsgasse deutlich zu erhöhen.
Die Bundesregierung hat die Verordnung nun von der Tagesordnung abgesetzt und will diese dann mit deutlichen Verschärfungen dem Bundesrat erneut vorlegen.
Die geplanten Neuregelungen stehen auch unter dem Eindruck des Busunglücks von Münchberg, bei dem zahlreiche Menschen unter tragischen Umständen den Tod fanden. Hier hatte es Behinderungen der Rettungsarbeiten durch zu schmale Rettungsgassen und »Gaffer« gegeben.
Auch die Regeln für das Telefonieren oder Tippen am Handy sollten mit der Verordnung verschärft werden. Auch ein Vermummungsverbot während der Fahrt ist Bestandteil der nun neu zu überarbeitenden Verordnung.
Das Strafrechtsänderungsgesetz, das eine Verschärfung des Strafrechts beim Wohnungseinbruchsdiebstahl zum Gegenstand hat, hat mit Unterstützung Sachsens den Bundesrat passiert.
Laut der im Frühjahr veröffentlichten Kriminalitätsstatistik registrierte die Polizei im Jahr 2016 bundesweit rund 150.000 Wohnungseinbrüche. Gegenüber dem Vorjahr war zwar ein Rückgang um 9,5 % festzustellen, jedoch konnten nur etwas mehr als 25.000 Fälle (rund 17 %) aufgeklärt werden. Für die Betroffenen stellt sich ein Einbruch in private Wohnbereiche als schwerwiegender Eingriff dar. Diesem Unrecht Rechnung zu tragen, ist ein Anliegen des Gesetzesentwurfs. Ein Einbruch in den Wohnbereich wird künftig als Verbrechen bestraft. Die Mindeststrafe hierfür wird dementsprechend künftig ein Jahr Freiheitsstrafe betragen. Bislang bestehende Milderungsmöglichkeiten werden gestrichen. Eine Steigerung der Aufklärungsquote erhofft sich der Gesetzgeber durch die mit der Strafschärfung einhergehende Ausweitung der Ermittlungsmaßnahmen im Bereich der Telefonverbindungsdaten. Zur Aufklärung von Wohnungseinbrüchen darf die Polizei künftig die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Funkzelle angefallenen Telefondaten abrufen, um etwa zu überprüfen, ob bei mehreren Wohnungseinbrüchen zu verschiedenen Zeiten ein Mobiltelefon an allen Tatorten feststellbar ist. Darüber hinaus werden die Ermittlungsbehörden auch befugt, die Standortdaten von Mobiltelefonen zu überprüfen, um feststellen zu können, von welchem Ort aus eine Mobiltelefonnummer benutzt wurde.
Sachsen hatte sich für dieses Anliegen von Anfang an eingesetzt.
Der Bundesrat billigte das Gesetz zur praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens im zweiten Durchgang. Dieses Vorhaben bündelt mehrere Gesetzesentwürfe, die alle darauf gerichtet sind, das Strafverfahren, vor allem das Ermittlungsverfahren, effektiver auszugestalten.
U.a. werden zur Entlastung der Staatsanwaltschaft Zeugen künftig verpflichtet sein, auch bei der Polizei zu erscheinen. Damit künftig auch Staatsanwaltschaft und Polizei als Ermittlungsbehörden rechtssicher und zügig eine Blutentnahme, etwa zur Bestimmung des Blutalkoholgehalts im Zusammenhang mit Straßenverkehrsdelikten, anordnen und einen Beweisverlust verhindern können, verzichtet das Gesetz auf die Einholung der richterlichen Entscheidung. Ermöglicht wird ferner die Untersuchung von DNA-Spuren im Rahmen von DNA-Reihenuntersuchungen auf Erkenntnisse, die auf ein nahes Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Spurenverursacher und dem Probengeber hindeuten. Kurze Freiheitsstrafen sollen durch die Verhängung eines Fahrverbots als Nebenstrafe im Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität bei allen Straftaten – und nicht lediglich bei Verkehrsdelikten – künftig vermieden werden können.
Im Bundestagesverfahren wurde das Gesetz schließlich um Regelungen zur sog. Quellenkommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung ergänzt. Mit diesen Instrumenten sollen die Ermittlungsbehörden befugt werden, verschlüsselte Kommunikation über das Internet sowie verschlüsselte Computer in Fällen schwerer Straftaten unter engen Voraussetzungen zu überwachen. Wie zuletzt von der Konferenz der Justizminister 2016 einstimmig gefordert, tragen diese Neuregelungen der technischen Entwicklung Rechnung und sollen sicherstellen, dass die Ermittlungsbehörden mit den Tätern auf Augenhöhe agieren können. Straftäter nutzen vermehrt statt der klassischen Telekommunikation per Telefon internetbasierte Kommunikationsdienste wie etwa WhatsApp, die nicht abgehört werden können und auf die Ermittlungsbehörden daher bislang keinen Zugriff haben. Im Bereich der Gefahrenabwehr sind diese Überwachungstechniken bereits jetzt zulässig.
Der Bundesrat hat das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz mit der Unterstützung Sachsens passieren lassen.
Nach intensiven Debatten hatten sich die Koalitionsfraktionen im Bundestag auf einen Kompromiss verständigt, der sowohl den Interessen von Verlagen, wie auch den Erfordernissen in Bildung und Wissenschaft Rechnung trägt. Das Gesetz reagiert auf die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung und den damit verbundenen Möglichkeiten, auf urheberrechtlich geschützte Werke zuzugreifen.
Die bislang sehr komplexen Vorschriften über die erlaubnisfreie Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in Bildung und Wissenschaft – die sogenannte »Schrankenregelungen« – werden neu geordnet, konsolidiert und vereinfacht.
Kern der Reform ist der neue Unterabschnitt 4 »Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen« (§§ 60a bis 60h UrhG-E): Dieser wurde unter anderem um eine Vorschrift für das sogenannte Text- und Data Mining, der softwaregestützten Auswertung großer Datenmengen, erweitert. Für jede Anwendergruppe gibt es also künftig einen eigenen Tatbestand mit konkreten Angaben zu Art und Umfang der gesetzlich erlaubten Nutzungen. Zugleich werden die Erlaubnistatbestände, soweit geboten und nach EU-Recht zulässig, erweitert, um die Potenziale von Digitalisierung und Vernetzung für Bildung und Wissenschaft besser zu erschließen. Dabei ist in der Regel eine angemessene Vergütung zu zahlen. Für die Hochschulen ist wichtig, dass nach dem Gesetzentwurf eine stichprobenbasierte Pauschalvergütung zulässig sein soll. Die derzeit rechtlich mögliche Einzelerfassung ist für die Hochschulen wegen des erheblichen Dokumentationsaufwandes kaum leistbar, wie ein Modellprojekt ergeben hat. Mit der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) war deswegen ein im September 2017 auslaufendes Moratorium geschlossen worden, an dessen Stelle nun die neuen gesetzlichen Vorgaben treten. Insbesondere aus diesem Grund war es für die Wissenschaft von größter Bedeutung, dass das »Urheberrechts-Wissenschaftsgesellschafts-Gesetz« noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden konnte.
Die zentralen Bestimmungen über die gesetzlich erlaubten Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen sind auf fünf Jahre befristet. Eine Evaluation des Gesetzes soll in diesem Zeitraum Klarheit bringen, ob aus diesen »Schrankenregelungen« ein wirtschaftlicher Schaden für Verlage erwächst.
Nach der Verabschiedung im Bundestag am vergangenen Freitag billigte auch der Bundesrat das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken.
Das Gesetz will insbesondere Betreiber sozialer Netzwerke wie etwa Facebook, Youtube und Twitter dazu anhalten, Beschwerden von Nutzern über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte zügig und umfassend zu bearbeiten. Das Vorhaben nimmt dabei nicht den Umgang mit einer einzelnen Beschwerde in den Blick, sondern die Funktionsfähigkeit des nun gesetzlich geforderten Beschwerdemanagementsystems im Ganzen. Die Plattformen müssen künftig ein wirksames und transparentes Verfahren zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte bereithalten, das etwa die Einhaltung bestimmter Löschfristen sicher stellt. Hierzu müssen sie Berichtspflichten erfüllen und einen inländischen Zustellungsbevollmächtigen benennen. Andernfalls droht ihnen ein Bußgeld in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro.
Wie bereits zuvor der Bundesrat erachtete auch der Bundestag den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf für nachbesserungsbedürftig. Außer einer Präzisierung des Anwendungsbereichs und der Berichtspflichten zählen die Einführung einer bußgeldbewehrten Pflicht der Betreiber zur Reaktion auf Auskunftsersuchen inländischer Strafverfolgungsbehörden binnen 48 Stunden sowie die Öffnung für Einrichtungen der sog. Regulierten Selbstregulierung zu den wesentlichen Ergänzungen.
Der Bundesrat hat das Pflegeberufereformgesetz mit den Stimmen Sachsens auf den Weg gebracht.
Das Pflegeberufereformgesetz führt ab dem 1. Januar 2020 die bisher getrennten Ausbildungsgänge der Gesundheits- bzw. Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege zusammen. Das Altenpflegegesetz und das Krankenpflegegesetz werden abgelöst. Ziel ist es, die Ausbildung den gestiegenen Anforderungen anzupassen, den Beruf zur Pflegefachkraft attraktiver zu machen und die Pflegeberufe insgesamt aufzuwerten.
Kern des Gesetzes ist die Einführung einer dreijährigen, generalistischen beruflichen Ausbildung mit dem Abschluss der/des Pflegefachfrau/Pflegefachmanns. Im Rahmen der Ausbildung werden Kompetenzen in allen Pflegebereichen vermittelt, um die Pflege von Menschen aller Altersstufen in allen Versorgungsbereichen zu ermöglichen. Damit wird ein Wechsel zwischen den einzelnen Pflegebereichen erleichtert.
Den Auszubildenden werden zwei Jahre gemeinsame Lerninhalte vermittelt – im dritten Ausbildungsjahr können sie die generalistische Ausbildung fortsetzen oder zwischen der Kinderkranken- oder Altenpflege wählen. Wer nach dem zweiten Jahr seine Ausbildungszeit beendet, kann den Abschluss zur Pflegeassistenz bzw. zur/zum PflegehelferIn erlangen. Die Einführung eines Pflegestudiums in Ergänzung zur beruflichen Pflegeausbildung bietet zusätzliche Karrierechancen. Voraussetzung für die neue Ausbildung ist ein mittlerer Schulabschluss oder eine zehnjährige allgemeine Schulausbildung. Auch Hauptschulabsolventen steht die Ausbildung offen, wenn sie über weitere Qualifikationen verfügen. Die Ausbildung ist zukünftig bundesweit kostenfrei. Insbesondere müssen die Auszubildenden kein Schulgeld mehr bezahlen, und sie bekommen eine Ausbildungsvergütung.
Der Freistaat Sachsen hat die Bundesregierung aufgefordert, das Gesetz so zu ergänzen, dass akademische Pflegeausbildungen auch als duale Studiengänge bspw. an der Berufsakademie Sachsen durchgeführt werden können.
Mit der Billigung aller Länder sprach sich der Bundesrat für die Streichung des Sonderstraftatbestandes aus, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten mit einem im Vergleich zur normalen Beleidigung erhöhten Strafrahmen unter Strafe stellt.
Eine weitere Besonderheit der Strafnorm besteht darin, dass die strafrechtliche Ahndung einer Äußerung – wie im Fall im Böhmermann – einer Ermächtigung der Bundesregierung bedarf. Dies erachtete der Gesetzgeber für nicht mehr zeitgemäß.
Dass die Streichung nicht sofort, sondern erst zum 1. Januar 2018 in Kraft treten soll, kritisierte Sachsen neben weiteren Ländern, konnte sich mit diesem Anliegen aber nicht durchsetzen.
Der Bundesrat hat einstimmig beschlossen, zur Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen.
Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes umfasst Änderungen zur Einrichtung eines Biotopverbundes in Deutschland und konkretisiert die Zielbestimmung für Naturparkes. Ebenfalls regelt er die Aufnahme von Höhlen und naturnahen Stollen als geschützte Biotope (z.B. für Fledermäuse) und die Zuständigkeiten für artenschutzrechtliche Ausnahmen sowie Kompensationsmaßnahmen in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone z.B. bei der Errichtung von Windkraftanlagen auf See. Auch können dadurch gefährdete Arten (wie z.B. Schweinswal, Robben) in diesen deutschen Seegebieten (bis 200 Seemeilen) unter Schutz gestellt werden.
Der Bundestag hatte Forderungen des Bundesrates nach weitergehenden Reglementierungen nicht in den Gesetzentwurf übernommen. Der Freistaat Sachsen hatte sich bereits im ersten Durchgang gegen Überreglementierungen im Bereich des Naturschutzes ausgesprochen, die sich empfindlich auf andere Fachbereiche und Wirtschaftszweige wie Landwirtschaft und Tourismus ausgewirkt hätten.
Seit 2015 gilt das neue Mess- und Eichrecht, das sich in der Praxis bewährt hat. Der Bundesrat hat nunmehr einen Verordnungsentwurf der Bundesregierung mit Maßgaben beschlossen, die Unklarheiten beseitigen und eine Reihe von Erleichterungen und Entlastungen von Bürokratie bringen.
Es wird eine Ausnahmemöglichkeit bei der Verwendung von Messgrößen in die Mess- und Eichverordnung aufgenommen. Danach wird künftig die Verwendung von Messgrößen zulässig sein, deren Werte aus Summe, Differenz, Produkt oder Quotient aus Messwerten gebildet werden, die mit einem geeichten Messgerät ermittelt worden sind. Es wird erwartet, dass sich diese Ausnahme insbesondere im Regelungsbereich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes positiv auswirkt.
Der Freistaat Sachsen hat Teile der Maßgabe unterstützt, die die Unternehmen von Bürokratie entlasten. Unter anderem hatte er die Forderung unterstützt, dass in Gewerbehöfen etc. ein Wiegevorgang entfallen kann, wenn man unter bestimmten Voraussetzungen das Leergewicht als Grundlage nähme. Dies hätte den Unternehmen Standzeiten verkürzt und damit zur Wirtschaftlichkeit beigetragen. Diese Forderung fand jedoch keine Mehrheit.