943. Bundesratssitzung am 18. März 2016
Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:
Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 943. Sitzung des Bundesrates:
Der Freistaat Sachsen hat gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Initiative zur Zukunft der deutschen Stahlindustrie in den Bundesrat eingebracht.
Die deutsche Stahlindustrie hat derzeit im Wesentlichen mit drei externen Problemlagen zu kämpfen:
- auf den internationalen Stahlmärkten bestehen massive Überkapazitäten,
- insbesondere chinesische Stahlprodukte überschwemmen zu Dumpingpreisen den europäischen Markt und
- aufgrund der Reform des Treibhaus-Emissionshandels drohen der deutschen Stahlindustrie zusätzliche Kostenbelastungen.
Angesichts von rund 86.000 Beschäftigten in der Stahlindustrie und der Bedeutung in der industriellen Wertschöpfungskette fordert der Bundesrat wirksame Maßnahmen, um die deutsche Stahlindustrie zu unterstützen.
Die Entschließung spricht sich für einen WTO-konformen Wettbewerb ohne Dumpinganbieter aus, der durch die Nutzung handelspolitischer Schutzinstrumente gefestigt werden kann. Insbesondere die Zuerkennung des Marktwirtschaftsstatus an China soll nach Auffassung des Bundesrates von der Erfüllung technischer Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Ergänzend wird eine Erhöhung der bislang verhängten Antidumpingzölle von der Entschließung vorgeschlagen.
Die drohenden Kostenbelastungen durch die Reform des Zertifikatehandels und die Änderung der Rahmenbedingungen der Energiepolitik sollen gemäß dem Vorschlag des Bundesrates durch die Ausnahme hocheffizienter KWK- und EEG-Bestandsanlagen von der EEG-Umlage aufgefangen werden. Hinsichtlich des Emissionshandels soll weiter sichergestellt sein, dass energieeffizienten Anlagen auch weiterhin Zertifikate kostenlos zugeteilt werden und nur auch tatsächlich erreichbare technische Vorgaben in Kraft gesetzt werden. Die Carbon-Leakage-Liste, die verhindern soll, dass Unternehmen ihren Standort in Regionen mit geringeren Umweltauflagen verlagern, muss nach Auffassung der Entschließung auf energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, beschränkt werden. Die Entschließung wurde zur weiteren Behandlung in die Ausschüsse verwiesen.
Der Bundesrat hat sich erstmals mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einstufung der drei Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten befasst und durch einen Mehrländerantrag eine Stellungnahme beschlossen.
Als sichere Herkunftsstaaten im Sinne von Artikel 16a Absatz 3 Grundgesetz gelten Staaten, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung beziehungsweise Bestrafung stattfindet.
Der Freistaat Sachsen unterstützt das Anliegen des Gesetzentwurfes der Bundesregierung. Konsequenz der Einstufung der drei Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten wäre, dass Anträge von Asylbewerbern aus diesen Ländern als »offensichtlich unbegründet« abzulehnen wären, sofern nicht Tatsachen oder Beweismittel angegeben werden, die die Annahme begründen, dass abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Hierdurch würde die Möglichkeit verbessert, aussichtslose Asylanträge von Angehörigen der Staaten Algerien, Marokko und Tunesien schneller bearbeiten zu können. Damit würde zugleich die Zeit des Sozialleistungsbezugs in Deutschland verkürzt und der davon ausgehende Anreiz für die Stellung von Asylanträgen aus nicht asylrelevanten, sondern wirtschaftlichen Gründen reduziert. Zudem sind bei Asylanträgen, die als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden, die Anfechtungsfristen verkürzt. Im bereits verabschiedeten sog. Asylpaket II sind für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern spezielle Aufnahmezentren vorgesehen, in denen sie das gesamte Asylverfahren durchlaufen. Die Aufenthaltsbeendigung im Falle einer negativen Entscheidung über einen entsprechenden Asylantrag würde dann direkt aus dem Aufnahmezentrum erfolgen.
In der gefassten Stellungnahme bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bestehende Zweifel im weiteren Beratungsverfahren auszuräumen. Zudem solle die Überprüfung der Menschenrechtssituation in sicheren Herkunftsstaaten generell und unter Einbeziehung von Menschenrechtsorganisationen intensiviert werden. Der Freistaat Sachsen unterstützt das Anliegen des Gesetzentwurfes der Bundesregierung und hat die Stellungnahme nicht unterstützt.
Der Freistaat Sachsen hat im Plenum des Bundesrates eine Entschließung zur Unterstützung der Landwirtschaft eingebracht.
Ausgehend von der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage der landwirtschaftlichen Betriebe (v. a. im Bereich der Milch- und Schweinefleischerzeugung) und den hohen Verlusten auf Grund stark rückläufiger Erzeugerpreise sinken die Einkommen und viele landwirtschaftliche Betriebe sind aktuell in einer existenzbedrohenden Lage. Der Bundesrat soll mit der Entschließung die Bundesregierung auffordern verschiedene Optionen und Maßnahmen zeitnah zu prüfen, um die Lage der landwirtschaftlichen Betriebe zu entspannen.
Dazu schlägt die Entschließung ein Maßnahmenbündel vor. Dazu gehört unter anderem die Einführung einer steuerlich begünstigten Risikoausgleichsrücklage oder eines allgemeingültigen mehrjährigen Glättungszeitraumes. Ebenso wird ein Liquiditätshilfe- und Bürgschaftsprogramm durch den Bund gefordert. Darüber hinaus wird die Erweiterung einer steuerlichen Mehrgefahrenversicherung und eine Überprüfung der geltenden Thesaurierungsregelung zur Verbesserung der Liquidität für mittelständige Unternehmen vorgeschlagen.
Die Entschließung wurde zur Beratung in die Ausschüsse verwiesen.
Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse sowie der zugehörigen Verordnung mit den Stimmen des Freistaates Sachsen zugestimmt.
Das Gesetz und die Verordnung setzten die EU-Tabakrichtlinie in nationales Recht um. Wesentliche Regelungspunkte sind unter anderem das Verbot von Aromen (z.B. Menthol, Frucht oder Schokolade) bei selbstgedrehten Zigaretten, gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Packungen (Schockbilder), entsprechende Erkennungs- und Sicherheitsmerkmale zur Rückverfolgbarkeit und Echtheit, Zulassungsverfahren für neuartige Tabakerzeugnisse sowie Regelungen zum Täuschungsschutz sowie Werbe- bzw. Sponsoringverbote.
Eine Entschließung, die eine Verlängerung des Übergangszeitraumes zur Produktionsumstellung der Hersteller fordert, wurde von Sachsen nicht unterstützt.
Die gleichzeitig angenommene Stellungnahme zur Verordnung wurde in ihren Maßgaben von Sachsen nur dort unterstützt, wo Forderungen nicht über die 1:1 Umsetzung der EU-Richtlinie hinausgingen.
Der Bundesrat hat zum Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontoentgelten, den Wechsel von Zahlungskonten sowie den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen den Vermittlungsausschuss nicht angerufen.
Mit dem Gesetz soll insbesondere ein Basiskonto für alle eingeführt werden. Alle Kreditinstitute sollen künftig verpflichtet sein, Basiskonten, mit denen grundlegende Zahlungsdienste wie das Ein- oder Auszahlungsgeschäft, Lastschriften, Überweisungen und das Zahlungskartengeschäft erledigt werden können, anzubieten. Die Kreditinstitute dürfen für diese Dienste nur angemessene Entgelte verlangen. Die Eröffnung eines Basiskontos darf nur unter sehr eng definierten Umständen abgelehnt werden. Wenn einem Verbraucher die Eröffnung des Basiskontos verweigert wird, kann der er dagegen vor den Zivilgerichten oder einer Verbraucherschlichtungsstelle vorgehen. Alternativ wird ein neu geschaffenes Verwaltungsverfahren bei der BaFin zur Verfügung stehen, mit dem die Betroffenen einfach, effektiv und kostengünstig ihren Anspruch durchsetzen können. Mit dem Gesetz soll weiterhin die Transparenz und Vergleichbarkeit von Kosten und Entgelten von Girokonten – etwa durch Einführung geeigneter Internet-Vergleichsportale – erhöht werden. Außerdem soll der Kontowechsel von einem Anbieter zum anderen erleichtert werden.
Der Rechtsausschuss hatte dem Bundesrat empfohlen zum Gesetz den Vermittlungsausschuss anzurufen. Im Vermittlungsverfahren sollte eine Änderung der Rechtswegzuweisung erreicht werden.
Mit den Stimmen des Freistaates Sachsen hat der Bundesrat dem »Dritten Gesetz zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG)« – dem sogenannten Meister-BAföG – zugestimmt.
Ziel der Gesetzesnovelle ist es, die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung zu erhöhen und für mehr Durchlässigkeit zu sorgen. Die Aufstiegsfortbildung soll attraktiver gemacht und die Förderung von akademischer und beruflicher Ausbildung stärker angeglichen werden. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Hochschulabsolventen und -absolventinnen mit Bachelor-Abschluss künftig zusätzlich zu ihrem Hochschulabschluss eine AFBG-geförderte berufliche Aufstiegsfortbildung absolvieren können. Außerdem sollen die Förderleistungen verbessert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert werden. Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen im Bundestag konnten weitere Leistungsaufstockungen für die betroffene Zielgruppe erreicht werden.
Der Bundesrat hat zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes mehrheitlich den Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Der Freistaat Sachsen hat die Anrufungsgründe für den Vermittlungsausschuss nicht unterstützt.
Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Begriffsdefinitionen »Wasserdienstleistungen« und »Wassernutzung«, sowie der formalen Umsetzung der Regelung des Artikel 9 der Wasserrahmen-Richtlinie. Die Bundesregierung hat durch eine Protokollerklärung zur Problematik »Länderöffnungsklausel« versucht die Bedenken der Länder einzufangen. Die Länderöffnungsklausel besagt, dass die Länder auch aus anderen Gründen als der Zielerreichung der Wasserrahmen-Richtlinie Abgaben bzw. Entgelte im Bereich der Gewässerbewirtschaftung erheben können. Damit sind die Einnahmen aus der Abgabe nicht zweckgebunden. Auch die Erhebung der Abgaben selbst ist den einzelnen Ländern damit freigestellt.
Der Bundesrat hat zum Gesetzentwurf für eine Rechtsvereinfachung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Stellung genommen.
Der Gesetzentwurf soll unnötige Bürokratie vermeiden, eine bessere Verständlichkeit der teilweise komplexen Rechtsvorschriften gewährleisten und damit für mehr Bürgerfreundlichkeit in der Grundsicherung für Arbeitsuchende sorgen. In der Praxis hatten die anzuwendenden Vorschriften im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mitunter zu umfangreichen Verwaltungsabläufen und in einigen Bereichen zu einer Vielzahl von Widersprüchen und Klagen geführt.
Ziel ist es daher, den Betroffenen künftig schneller und einfacher Klarheit über das Bestehen und den Umfang von Rechtsansprüchen zu verschaffen und die anzuwendenden Verfahrensvorschriften in den Jobcentern zu vereinfachen. Dazu werden insbesondere Vorschläge aufgegriffen, die eine von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz eingerichtete Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft zur Vereinfachung des Leistungsrechts einschließlich des Verfahrensrechts erarbeitet hatte.
Mit der Stellungnahme fordert der Bundesrat die Bundesregierung unter anderem auf, zu prüfen, ob die Einführung einer Kleinbetragsgrenze für Erstattungsforderungen das Verwaltungsverfahren vereinfachen könne, ebenso wie das Entfallen des Vier-Augen-Prinzips bei der Leistungsgewährung im IT-Verfahren bis zu einer vorgeschlagenen Grenze von 500,- Euro. Ebenfalls sollen die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen vereinfacht und vereinheitlicht werden. Der Freistaat Sachsen hat einzelne Punkte der Stellungnahme unterstützt.
Der Bundesrat hat zum Gesetzentwurf zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) Stellung genommen.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Kosten für den Ausbau digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze senken. Effizientere Verfahren und mehr Transparenz sollen dazu beitragen, den Breitbandausbau zu beschleunigen. Vorgesehen sind dabei insbesondere die Nutzung existierender passiver Netzinfrastrukturen wie schon bestehende Leitungsrohre, die Mitverlegung von solchen passiven Netzinfrastrukturen (Lehrrohre) und Glasfaserkabeln bei öffentlich finanzierten Bauarbeiten und bei der Erschließung von Neubaugebieten sowie der verbesserte Zugang zu Informationen über die tatsächliche Versorgungslage. Zur Kostensenkung soll außerdem die Verschlankung von Vorschriften beitragen. So soll beispielsweise eine Verlegung von Kabeln in geringerer Tiefe möglich sein.
Der Bundesrat begrüßt mit den Stimmen Sachsens die Initiative der Bundesregierung. Gleichzeitig fordert der Bundesrat jedoch Ausgleichsmechanismen für Kosten die den Ländern durch die Pläne des Bundes entstehen. Auch bei den Bauvorschriften – also wann und an welcher Stelle – Vorhaben umgesetzt werden können, sieht der Bundesrat noch Nachbesserungs- und Klärungsbedarf.
Der Gesetzentwurf zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze ist zustimmungspflichtig. Damit benötigt er nach dem Gesetzesbeschluss durch den Deutschen Bundestag auch die Zustimmung des Bundesrates.
Der Bundesrat hat der Verordnung zum Schutz von Oberflächengewässern mit umfangreichen Maßgaben zugestimmt.
Die Verordnung setzt die EU-Richtlinie 2013/39/EU über Umweltqualitätsnormen in nationales Recht um. In der Verordnung werden auch die Grenzwerte für prioritäre Stoffe und andere Schadstoffe in Oberflächengewässern aktualisiert. Sachsen hatte sich im Bundesratsverfahren für eine 1:1-Umsetzung der EU-Vorgaben eingesetzt. Eine vorgesehene Änderung des Grenzwertes für Arsen, die über die Vorgaben der EU hinausging, hätte negative Folgen für die Einstufung von Oberflächengewässern in Sachsen gehabt. Aufgrund eines hohen geogenen Grundgehalts insbesondere im Erzgebirge sind Oberflächengewässer in Sachsen auf natürlicher Basis höher mit Arsen belastet.
Der Bundesrat hat der Vergaberechtsmodernisierungsverordnung zugestimmt.
Mit der Vergabeverordnung wird das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts konkretisiert, das seinerseits die Regelungen der EU-Vergaberichtlinien in deutsches Recht umsetzt. Die wichtigsten Neuerungen sind die Einführung der elektronischen Vergabe, sowie die Möglichkeit der Aufnahme strategischer Ziele in die Auftragsvergabe (dazu gehören vor allem soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte).
Auf gesetzlicher Ebene wurde im neuen § 114 Absatz 2 GWB die Grundlage für die Sammlung und Auswertung von Vergabedaten gelegt und die Bundesregierung ermächtigt, die Details zur Umsetzung der Richtlinienvorgaben in einer Rechtsverordnung zu regeln. Die Bundesregierung macht mit der Verordnung zur Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen (Vergabestatistikverordnung Art. 4) von dieser Ermächtigungsgrundlage Gebrauch.