25.11.2022

1028. Bundesratssitzung vom 25. November 2022

Person am Rednerpult
Medienminister Schenk spricht zum Europäischen Medienfreiheitsgesetz im Bundesrat 
© Jens Oellermann

Wichtigste Themen: Vermittlungsergebnis Bürgergeld + Europäisches Medienfreiheitsgesetz + GAP Verordnungen + Inflationsausgleichsgesetz + Infektionsschutzgesetz + Zentralregistergesetz + Strafgesetzbuch + Atomgesetz + Wohngeld-Plus + Tierhaltungskennzeichnung + Sanktionsdurchsetzungsgesetz II + Raumordnungsänderungsgesetz

Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:

Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 1028. Sitzung des Bundesrates.

    Der Bundesrat hat dem im Vermittlungsausschuss ausgehandelten Kompromiss zum Bürgergeldgesetz mit den Stimmen Sachsens zugestimmt.

    Das nun beschlossene Gesetz sieht vor, die so genannte Karenzzeit, in der die Kosten für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe und die Heizkosten in angemessener Höhe anerkannt und übernommen werden, auf ein Jahr zu reduzieren. Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte zwei Jahre vorgesehen. Bezüglich der Schonvermögen in der Karenzzeit enthält der gefundene Kompromiss ebenfalls eine deutliche Reduzierung. Vermögen ist danach erst dann zu berücksichtigen, wenn es in der Summe 40.000 EUR für die leistungsberechtigte Person und 15.000 EUR für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person überschreitet. Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte Grenzen von 60.000 bzw. 30.000 EUR für Mitbewohner in der Bedarfsgemeinschaft vorgesehen.

    Überdies enthält die Einigung eine neue Härtefallregelung bei selbst genutztem Wohneigentum. Nach dem Gesetz zählt ein selbstgenutztes Haus mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbstgenutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern zum Schonvermögen, bei mehr als vier Haushaltsangehörigen erhöht sich die Fläche für jede weitere Person um 20 Quadratmeter. Nach dem Kompromiss können auch größere Häuser bzw. Wohnungen zum Schonvermögen gerechnet werden, wenn andernfalls eine besondere Härte entstünde. Gänzlich entfallen ist die im ursprünglichen Entwurf vorgesehene sechsmonatige Vertrauenszeit, in der auch bei Pflichtverletzungen keine Sanktionen verhängt worden wären. Bei solchen Sanktionen wird nach dem Vermittlungsergebnis nun ein dreistufiges System Anwendung finden: Bei der ersten Pflichtverletzung mindert sich das Bürgergeld für einen Monat um 10 Prozent, bei der zweiten für zwei Monate um 20 Prozent und bei der dritten für drei Monate um 30 Prozent. Alle anderen Elemente des Gesetzes, wie die Erhöhung der Regelbedarfe und bessere Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose bleiben unverändert.

    Die Bundesregierung hatte den Vermittlungsausschuss angerufen, nachdem der ursprüngliche Bundestagsbeschluss im Bundesrat am 14. November 2022 die erforderliche absolute Mehrheit verfehlt hatte. Der Freistaat Sachsen hatte das ursprüngliche Gesetz im Bundesrat nicht unterstützt. Am 23. November 2022 hatten sich die Unterhändler von Deutschem Bundestag und Bundesrat auf ein Vermittlungsergebnis geeinigt. Dieses wurde am 25. November 2022 zuerst vom Deutschen Bundestag und hiernach vom Bundesrat beschlossen. Nach Ausfertigung und Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten kann das Gesetz somit wie geplant zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Die Bundesregierung hat zum Gesetz eine Protokollerklärung abgegeben in der sie die Prüfung weiterer Sachverhalte ankündigt.

    Der Bundesrat hat zu einem EU-Verordnungsvorschlag zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt (Europäisches Medienfreiheitsgesetz) kritisch Stellung genommen und mit den Stimmen Sachsens eine Subsidiaritätsrüge ausgesprochen. Dabei geht es nicht um die inhaltliche Zielsetzung des Verordnungsvorschlages, sondern um die Form der Umsetzung. Der Freistaat Sachsen teilt die Kritik an der geplanten Umsetzung des Verordnungsvorschlages und sieht dabei deutliche Subsidiaritätsbedenken. Das machte Medienminister Schenk in seiner Rede im Bundesrat deutlich.

    Der Verordnungsvorschlag, der auf Artikel 114 AEUV gestützt werden soll, zielt darauf ab, grenzüberschreitende Tätigkeiten und Investitionen der Mediendiensteanbieter durch eine Harmonisierung der rechtlichen Vorschriften im EU-Binnenmarkt zu fördern. Die Zusammenarbeit und Konvergenz in Regulierungsfragen soll durch grenzübergreifende Koordinierungsinstrumente sowie Stellungnahmen und Leitlinien verbessert werden. Dabei soll die Bereitstellung hochwertiger Mediendienste durch die Minderung des Risikos einer ungebührlichen öffentlichen und privaten Einflussnahme erleichtert werden. Darüber hinaus soll eine transparente und gerechte Zuweisung staatlicher Werbeausgaben gewährleistet werden.

    Erreicht werden soll dies, indem man den Mitgliedsstaaten jeglichen Einfluss auf die redaktionellen Strategien und Entscheidungen untersagt. Für öffentlich-rechtliche Mediendienstanbieter sind darüber hinaus Schutzvorkehrungen vorgesehen, wie zum Beispiel Vorgaben zum Ernennungsverfahren, Amtszeiten und Entlassungsverfahren für den Verwaltungsrat. Darüber hinaus ist die Einrichtung eines Europäischen Gremiums für Mediendienste vorgesehen, welches an die Stelle der Gruppe der europäischen Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste treten soll. Daneben sollen durch Bestimmungen zur strukturierten Kooperation die Zusammenarbeit und Konvergenz in Regulierungsfragen verbessert werden.

    Grundsätzlich sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Verfahren in ihren nationalen Rechtssystemen vorzusehen, die die Bewertung der Auswirkungen von Medienmarktkonzentrationen auf den Medienpluralismus und die redaktionelle Unabhängigkeit ermöglichen. Aber auch das Europäische Gremium für Mediendienste und die Kommission sollen in bestimmten Fällen Stellungnahmen hierzu abgeben können. Auch an die Systeme und Methoden zur Publikumsmessung und an die Zuweisung von staatlichen Werbeausgaben an Mediendiensteanbieter werden Vorgaben formuliert.

    Ergänzend zum Verordnungsvorschlag verabschiedete die Kommission außerdem eine Empfehlung zur Förderung von Garantien für die redaktionelle Unabhängigkeit. Darin wird eine Reihe freiwilliger Verfahren aufgeführt, die darauf abzielen, die redaktionelle Unabhängigkeit und eine größere Transparenz der Eigentumsverhältnisse zu fördern. Die Empfehlung bietet eine Toolbox freiwilliger Maßnahmen für Medienunternehmen, die z. B. die Bedingungen für die unabhängige Erstellung redaktioneller Inhalte verbessern sollen.

    Der Bundesrat sieht mit der Unterstützung Sachsens erhebliche Subsidiaritätsbedenken gegenüber dem Verordnungsvorschlag. Der Ausschuss für Kultur und der EU-Ausschuss des Bundesrates haben dem Bundesrat empfohlen gegen den Verordnungsvorschlag eine Subsidiaritätsrüge nach Art. 12b EUV auszusprechen. Damit macht der Bundesrat von seiner Wächterrolle im EU-Rechtssetzungsprozess gebrauch.

    Im Wesentlichen rügt der Bundesrat, dass mit der Form der »Verordnung« ein falsches Regelungsinstrument vorgesehen wird. Hier wäre der Rahmen einer Richtlinie passender. Darüber hinaus verfügt die EU nicht über die ausreichende Ermächtigungsgrundlage eine solche Regelung auf die Grundlage zur Verwirklichung des Binnenmarktes zu stützen. Ebenfalls greifen die Regelungen unzulässig in nationale Hoheitsrechte ein und verstoßen gegen Art.167 AEUV, der das Recht der Mitgliedstaaten, ihre Medienordnung in Ausübung ihrer Kulturhoheit selbst zu ordnen, verbrieft.  In Summe ist die Verordnung nicht mit den Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen. Auch weil die vorgeschlagenen Maßnahmen z. T. zur Zielerreichung nicht geeignet sind, wie etwa bei der Regelung lokaler und regionaler Medien, die z. B. keinerlei grenzüberschreitenden Bezug (Binnenmarkt) aufweisen.

    Um zu bestärken, dass der Freistaat Sachsen die Zielstellung unterstützt, die Medienfreiheit in Europa zu sichern und auszubauen, hat er gemeinsam mit Berlin und Niedersachsen eine Protokollerklärung abgegeben.

    Der Bundesrat hat Änderungen an der GAP-Direktzahlungen-Verordnung und der GAP-Konditionalitäten-Verordnung mit Maßgaben zugestimmt. Der Freistaat Sachsen hat die Zustimmung und einzelne Maßgaben unterstützt.

    Die Änderungen der GAP-Direktzahlungen-Verordnung setzt Bestimmungen der Anpassungen des deutschen GAP-Strategieplans vom 30. September 2022 um. Die EU-Kommission hat im sogenannten »Observation Letter« vom 20. Mai 2022 ihre Anmerkungen zum deutschen GAP-Strategieplan mitgeteilt. Im Anschluss fanden dazu, auch zu den Direktzahlungen, Gespräche mit der EU-Kommission statt. Die hierbei gefundenen Kompromisse und entsprechenden Anpassungen im deutschen GAP-Strategieplan finden Eingang in der vorliegenden GAP-Direktzahlungen-Verordnung, damit diese für die anstehende GAP-Förderperiode ab dem 1. Januar 2023 wirksam wird. Darunter fallen u. a. die Ergänzung der Begriffsbestimmung der landwirtschaftlichen Tätigkeit in Bezug auf Dauerkulturen, soweit sie nicht für die Erzeugung genutzt sowie weitere einzuhaltende Vorgaben bei den Öko-Regelungen. Hinzu kommen Anpassungen bei der Mittelzuweisung auf Grund der aktuellen Betroffenheit hinsichtlich der Preisänderungen in der Branche. Darüber hinaus werden in der Verordnung einzelne Klarstellungen sowie Berichtigungen vorgenommen.

    Auch die Änderung der GAP-Konditionalitäten-Verordnung setzt Anpassungen des deutschen GAP-Strategieplans um, insbesondere mit Änderungen im Kapitel 2 der GAP-Konditionalitäten-Verordnung. Dazu gehören u. a. Änderungen beim Schutz von Feuchtgebieten und Mooren (GLÖZ 2), der Bodenbedeckung in den sensibelsten Zeiten (GLÖZ 6), dem Fruchtwechsel auf Ackerland (GLÖZ 7) und den Anforderungen bei nichtproduktiven Flächen (GLÖZ 8). Zudem werden in der GAP-Konditionalitäten-Verordnung digitalisierungshemmende Schriftformerfordernisse abgebaut sowie redaktionelle Berichtigungen vorgenommen.

    In seiner Protokollerklärung betonte Landwirtschaftsminister Wolfram Günther, dass mit dem Beschluss der beiden GAP-Verordnungen der Einstieg in den Umstieg bei der Agrarförderung in Deutschland beschlossen werde. Mit dem Ende der kommenden GAP-Förderperiode in fünf Jahren werden mehr als die Hälfte der Fördermittel in den Klima-, Umwelt- und Artenschutz gehen. Grundlage für diesen Paradigmenwechsel war der Beschluss der Agrarministerinnen und Agrarminister aus der Agrarministerkonferenz vom März 2021 unter sächsischem Vorsitz.

    Der Bundesrat hat dem Wohngeld-Plus Gesetz mit den Stimmen Sachsens zugestimmt. Eine begleitende Entschließung, die der Freistaat Sachsen in Teilen unterstützt hatte, bekam keine Mehrheit.

    Das Gesetz soll ab 2023 Haushalte mit niedrigeren Einkommen mit Blick auf die steigenden Wohnkosten stärker unterstützen. Diese bisher umfangreichste Reform des Wohngelds soll die durch steigende Energiekosten und energieeffiziente Sanierungen entstehenden höheren Wohnkosten besser abfedern. Das Vorhaben besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten:

    • Eine dauerhafte Heizkostenkomponente soll als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen, um die Empfänger bei den Energiekosten zu entlasten. Bemessungsgrundlage des Wohngeldes ist die Bruttokaltmiete. Kosten für Heizung und Warmwasser wurden bei den Belastungen bislang nicht berücksichtigt. Angesichts der sehr stark steigenden Preise für Heizenergie sei es erforderlich, auch die Heizkostenbelastungen der Haushalte im Wohngeld zu berücksichtigen.
    • Durch die Einführung einer Klimakomponente im Wohngeld erfolgt ein Zuschlag auf die Höchstbeträge der zu berücksichtigenden Miete oder Belastung in der Wohngeldberechnung. Sie soll einen über die bisherige Höchstgrenze hinausgehenden Zuschlag ermöglichen, wenn aufgrund energetischer Maßnahmen im Gebäudebereich im gesamten Wohnungsbestand die Miete erhöht wird.
    • Überdies passt das Gesetz die Wohngeldformel an. Im Ergebnis sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten – bisher sind es rund 600.000 Haushalte. Zudem soll sich der Wohngeldbetrag von durchschnittlich rund 180 EUR pro Monat auf rund 370 EUR pro Monat erhöhen.

    Vorgesehen sind auch die Einführung von Bagatellgrenzen im Falle von Rückforderungen sowie die Möglichkeit der Verlängerung des Bewilligungszeitraums auf 24 Monate. Damit die Behörden in Einzelfällen oder bei hoher Arbeitsbelastung das erhöhte Wohngeld zügig auszahlen können, sieht der Entwurf die Möglichkeit vorläufiger Zahlungen vor. Der Freistaat Sachsen ist von den beabsichtigten Änderungen besonders betroffen, da insgesamt 2,1 Prozent der Haushalte Wohngeld beziehen. Im bundesweiten Vergleich wird der Freistaat dabei nur noch von Mecklenburg-Vorpommern übertroffen.

    Die von Sachsen unterstützten Teile der letztlich nicht gefassten Entschließung wiesen darauf hin, dass eine schnelle Umsetzung des Wohngeld-Plus-Gesetzes ohne gravierende Vereinfachungen des Wohngeldrechts in der Praxis nicht möglich ist. Deshalb sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, noch in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode eine umfassende Reform auf den Weg zu bringen, die über die wenigen, im Wohngeld-Plus-Gesetz enthaltenen Regelungen zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands hinaus wesentliche Verfahrensvereinfachungen und Nachweiserleichterungen im Wohngeldrecht umsetzt.

    Der Bundesrat hat dem Inflationsausgleichgesetz mit den Stimmen des Freistaates Sachsen zugestimmt. Begleitend hat der Bundesrat eine Entschließung gefasst. Diese wurde weitgehend durch Sachsen unterstützt.

    Ziel des Gesetzes ist es Haushalte sowie Unternehmen von den Auswirkungen der massiv gestiegenen Energiepreise infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zu entlasten.

    Das Gesetz sieht vor, dass zum Ausgleich der kalten Progression der steuerliche Grundfreibetrag für 2023 um 561 EUR auf 10.908 EUR erhöht wird. Darüber hinaus werden die Tarifeckwerte, mit Ausnahme des Eckwerts zur sog. »Reichensteuer«, um 7,2 Prozent nach rechts verschoben. Außerdem wird das Kindergeld ab 1.1.2023 für das erste, zweite und dritte Kind auf 250 EUR im Monat angehoben. Der Kinderfreibetrag steigt um 202 EUR.

    In der begleitenden Entschließung vertritt der Bundesrat u. a. die Auffassung, dass bei einer Größenordnung der Steuermindereinnahmen von rd. 17 Mrd. EUR im Jahr von denen rund 9,5 Mrd. EUR durch die Länder und Kommunen zu tragen sind, eine vollständige Information sowie die frühzeitigere Einbindung des Bundesrates bei der Änderung des Gesetzes geboten gewesen wäre.

    Der Bundesrat hat zwei Gesetzesbeschlüsse des Deutschen Bundestages, die sich mit dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) befassen, passieren lassen. Sachsen hat dieses Votum unterstützt und einer begleitenden Entschließung zugestimmt.  

    Beim ersten Gesetz galt es die Trinkwasser-Richtlinie der Europäischen Union (RL-EU 2020/2184 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.12.2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch) in deutsches Recht umzusetzen. Dazu sind Anpassungen im IfSG, insbesondere Änderungen der in § 38 Absatz 1 IfSG enthaltenen Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Hinblick auf Vorgaben zu Wasser für den menschlichen Gebrauch, erforderlich. Im ersten Durchgang hatte Sachsen Bedenken geltend gemacht, dass eine Änderung im Gesetz ohne entsprechende Übergangsfristen Auswirkungen auf die Schwimmbäder haben könnte. Aus diesem Grund hat der Freistaat eine begleitende Entschließung unterstützt, die von der Bundesregierung eine Verordnung erbittet, mit der die Anforderungen an Wasser in Schwimm- oder Badebecken und in Schwimm- oder Badeteichen geregelt und bestehende Divergenzen ausgeräumt werden.

    Die zweite Änderung befasst sich mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember vergangenen Jahres zur sogenannten Triage.

    Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass sich aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes für den Staat der Auftrag ergibt, Menschen wirksam vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung durch Dritte zu schützen. Dazu gehören auch Situationen, wenn auf Grund einer übertragbaren Krankheit überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten nicht ausreichend vorhanden sein sollten und daher das Risiko bestünde, dass Menschen bei der Zuteilung dieser knappen Ressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt werden könnten.

    Nach dem Gesetz ist bei der ärztlichen Entscheidung nur die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten relevant. Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass bereits zugeteilte überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten nicht mehr zur Disposition stehen, solange eine solche Behandlung noch indiziert ist und dem Patientenwillen entspricht. (Verbot der sogenannten Ex-post-Triage)

    Darüber hinaus enthält das Gesetz Regelungen zum Verfahren, in dem die Zuteilungsentscheidung zu treffen ist. Zuständig hierfür sind zwei mehrjährig intensivmedizinisch erfahrene und praktizierende Fachärztinnen und Fachärzten, die die Patientinnen oder Patienten unabhängig voneinander begutachtet haben.

    Weiterhin sieht das Gesetz vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit innerhalb von sechs Monaten, nachdem erstmals eine Zuteilungsentscheidung angezeigt wurde, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2025, eine externe Evaluation beauftragt. Der Deutsche Bundestag wird hiernach über das Ergebnis der Untersuchung informiert.

    Der Bundesrat hat zum Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und des Strafgesetzbuches den Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Das Gesetz kann somit wie geplant in Kraft treten. Der Freistaat Sachsen hat das Votum unterstützt.

    Mit dem Gesetz wird das Bundeszentralregistergesetz (BZRG) an einzelne Bestimmungen des Brexit-Abkommens vom 24. Dezember 2020 angepasst. Diese betreffen den Austausch von Informationen in den jeweiligen Strafregistern. Zum anderen werden die europarechtlichen Vorgaben zur Einrichtung eines Europäischen Strafregisterinformationssystems mit Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) abschließend umgesetzt werden. Mit weiteren Anpassungen sollen schließlich die Möglichkeiten für die elektronische Antragstellung erweitert und Verbesserungen des Datenschutzes erreicht werden.

    Der zweite Teil des Gesetzes betrifft eine Änderung des Straftatbestandes der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB), welche erst im Wege eines sogenannten Omnibusverfahrens durch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen Eingang in das Gesetz fand. Der Straftatbestand wurde um einen neuen Absatz 5 erweitert, der unter bestimmten weiteren Voraussetzungen das Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkerstraftaten ausdrücklich unter Strafe stellt. Hintergrund der Eilbedürftigkeit der Änderung war ein von der EU-Kommission im Dezember 2021 gegen Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung des »Rahmenbeschlusses 2008/913/JI zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit«. Deutschland habe eine Vorschrift des Rahmenbeschlusses nicht ausreichend umgesetzt, welche vorsieht, dass unter bestimmten weiteren Voraussetzungen das vorsätzliche »öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen« unter Strafe zu stellen sei. Zur Abwendung des Vertragsverletzungsverfahrens wurde § 130 StGB wie beschrieben um einen neuen Absatz 5 ergänzt. Dabei wurde nicht von der im Rahmenbeschluss vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Strafbarkeit für die Tathandlungen Leugnen und gröbliches Verharmlosen auf gerichtlich endgültig festgestellte Völkerstraftaten zu beschränken, weil alle drei Tathandlungen gleich geregelt werden sollten.

    Der Bundesrat hat zum 19. Atomänderungsgesetz den Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Der Freistaat Sachsen hat dieses Votum koalitionsbedingt nicht unterstützt.

    Der Deutsche Bundestag hatte am 11. November 2022 den befristeten Weiterbetrieb der drei Kernkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 beschlossen. Der Leistungsbetrieb der drei Kraftwerke soll zur Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems im Winter beitragen und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Stromversorgung sichergestellt bleibt,

    Aufgrund der angespannten Versorgungslage infolge der russischen Invasion in der Ukraine ist eine unvorhersehbare, außergewöhnliche und äußerst volatile Lage am Gasmarkt und in der Folge auch am Strommarkt entstanden. Aufgrund dieser Entwicklungen kommt es auch zu ansteigenden Stromtransiten und entsprechenden größeren Anforderungen an den Stromnetzbetrieb.

    Das Gesetz sieht vor, dass die Kernkraftwerke spätestens mit Ablauf des 15. April 2023 endgültig den Leistungsbetrieb beenden. Angesichts des kurzen Zeitraums des Weiterbetriebs verzichtet das Gesetz auf das Erfordernis einer periodischen Sicherheitsüberprüfung. Die Sicherheit der Anlagen wird aber auch im Rahmen des befristeten Weiterbetriebs fortlaufend durch eine umfassende staatliche Aufsicht auf Grund des geltenden Rechts auf einem hohen Niveau sichergestellt.

    Der Bundesrat hat zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz umfangreich Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat Teile der Stellungnahme unterstützt.

    Mit dem Gesetz soll eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung für Lebensmittel tierischen Ursprungs eingeführt werden. Lebensmittel, für die eine Kennzeichnungspflicht eingeführt wird, sind bei Abgabe an die Endverbraucher mit einer Information über die Haltungsform der Tiere zu versehen, von denen die Lebensmittel gewonnen wurden. Die verbindliche Kennzeichnung informiert den Endverbraucher darüber, ob die Tiere, von denen die Lebensmittel stammen, in einem Stall nach dem gesetzlichen Mindeststandard gehalten worden sind, oder ob den Tieren mehr Platz (»Stall + Platz«), Zugang zum Außenklima (»Frischluftstall«) oder mehr Platz und Zugang zu einem Auslauf zur Verfügung gestanden haben (»Auslauf/ Freiland« sowie »Bio«).

    Die verbindliche Kennzeichnung soll somit die Wissensgrundlage für eigenverantwortliche Entscheidungen beim Erwerb von Lebensmitteln tierischen Ursprungs im Hinblick auf tierschutzfachliche Aspekte verbessern und einen Beitrag dazu leisten, den Wandel der Tierhaltung in Deutschland hin zu artgerechteren Haltungsformen voranzutreiben. Zunächst soll die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung für frisches Fleisch, das von Mastschweinen gewonnen wurde, eingeführt werden.

    In seiner Stellungnahme betont der Bundesrat unter anderem, dass im Sinne des gemeinsamen europäischen Binnenmarkts eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung auf EU-Ebene für unverzichtbar erachtet wird. Zudem bittet der Bundesrat die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass die Regelungen aus diesem Gesetz für inländische Produzenten im Vergleich zu Produzenten aus anderen EU-Mitgliedstaaten keinen Nachteil bedeuten. Der Freistaat Sachsen hat Teile der umfangreichen Stellungnahme unterstützt und sich zu anderen Teilen der Stellungnahme koalitionsbedingt enthalten.

    Der Bundesrat hat zum Entwurf des Sanktionsdurchsetzungsgesetz II Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme in Teilen unterstützt.

    Mit dem Gesetz soll der Vollzug von EU-Sanktionen verbessert werden. Insbesondere soll eine neue Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung auf Bundesebene sowie eine Hinweisannahmestelle eingerichtet werden, die Tipps von Hinweisgebern entgegennimmt. Der Bekämpfung der Geldwäsche dient die Regelung, dass es zukünftig verboten ist, den Kaufpreis für Grundstücke in bar, mit Kryptowährungen oder in Gestalt von Rohstoffen (z. B. Gold) zu bezahlen.

    In seiner Stellungnahme fordert der Bundesrat u. a., dass die Rechtsverordnung bezüglich der Hinweisannahmestelle der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Außerdem soll sichergestellt werden, dass von dem Barzahlungsverbot bei Grundstückskäufen auch Rohstoffe wie Silber, Platin und Edelsteine umfasst werden.

    Der Bundesrat hat zum Raumordnungsänderungsgesetz Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat Teile der Stellungnahme unterstützt.

    Mit der Änderung des Raumordnungsgesetzes möchte die Regierungskoalition Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter beschleunigen, unter anderem durch den Gebrauch von digitalen Möglichkeiten und durch eine bessere Verzahnung von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren. Zudem ist eine Stärkung des Planerhalts beabsichtigt.

    Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Planung durch weitere Digitalisierung der Beteiligungsverfahren bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen modernisiert und durch Erleichterungen bei der Abweichung von Zielfestlegungen flexibilisiert wird. Ebenfalls soll bewirkt werden, dass Redundanzen bei Änderungen von Planentwürfen beseitigt werden. Insgesamt verspricht sich die Bundesregierung mehr Planungssicherheit durch erweiterte Regelungen zur Planerhaltung und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.

    Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme eine Reihe von Regelungen des Gesetzes kritisiert und Änderungen vorgeschlagen. Der Freistaat Sachsen bemängelte, dass mit dem Gesetzentwurf landesrechtlich bedeutsame Zuständigkeitsfestlegungen vorgenommen würden und äußerte des Weiteren verfassungsrechtliche Bedenken bei einer beabsichtigten Anpassungspflicht von Raumordnungsplänen der Länder und Regionen an Zielfestlegungen des Bundes.

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