1023. Bundesratssitzung vom 8. Juli 2022
Wichtigste Themen: Bundesratsinitiative zur Pressevielfalt + Wind-an-Land Gesetz + Zukunft Europas + Wahlen zum EP + Schwimmbäder + Maut Handwerkerfahrzeuge und Fernbusse + Markenschutz Glashütte + AVV Gebietsausweisung + Zinssatz Steuernachzahlungen + Klimafonds + BAföG + Digitale Gesetzgebung
Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:
Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 1023. Sitzung des Bundesrates.
Sachsen und Niedersachsen haben dem Bundesrat eine Initiative zum Erhalt der Pressevielfalt vorgelegt. Der sächsische Medienminister Schenk hat die Entschließung im Bundesrat vorgestellt.
Beide Länder schlagen dem Bundesrat vor, die Bundesregierung aufzufordern schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen, um die flächendeckende Versorgung mit Presseerzeugnissen weiterhin gewährleisten zu können.
Zur Absicherung einer qualitativ hochwertigen Berichterstattung im Lokal- und Regionalbereich könnten auch innovative Technologien, neue Geschäftsmodelle, Verbreitungswege, Formate oder neuartige Kooperationsmodelle beitragen. Hierfür solle die Bundesregierung, zeitnah ein Förderkonzept vorlegen, dass auch zukünftig eine unabhängige journalistische Tätigkeit der Medienhäuser gewährleistet. Freie Medien seien ein wesentliches Element der demokratischen Ordnung, ein besonders schützenswertes Kulturgut und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit einer herausgehobenen Verantwortung, betonen die beiden Länder. Gerade in Zeiten von Fake News, Desinformation, Deepfakes und Verschwörungstheorien brauche es weiterhin eine leistungsfähige Medienlandschaft.
Diese stehe jedoch aktuell vor großen Herausforderungen. Presseerzeugnisse seien durch Kostensteigerungen zunehmend unter wirtschaftlichen Druck geraten, den sie nicht mehr allein abfedern können. Höhere Energie- und Kraftstoffkosten sowie die massiv gestiegenen Preise und Verknappungen von Zeitungspapier und Aluminium für Druckplatten beträfen insbesondere die Verlage und Druckhäuser. Ab Oktober komme mit dem gesetzlichen Mindeslohn noch eine weitere deutliche Erhöhung der Lohnkosten hinzu. Diese werde insbesondere die Zeitungszustellung weiter verteuern und in Teilen des Landes unwirtschaftlich machen, warnen Sachsen und Niedersachsen.
Nach der Vorstellung der Initiative wurde diese zur Behandlung den Fachausschüssen zugewiesen.
Der Bundesrat hat das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land ohne die Unterstützung Sachsen passieren lassen. Der Freistaat äußerte in einer Protokollerklärung verfassungsrechtliche Bedenken beim Umgang der Bundesregierung mit den Rechten der Länder und des Bundesrates bei der Gesetzgebung.
Das Gesetz schreibt unter anderem das Ausbauziel von zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land fest. Über ein Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) werden den Ländern verbindliche Flächenziele (sogenannte Flächenbeitragswerte) vorgegeben, die sie für die Errichtung von Windkraft ausschreiben müssen. Die verbindlichen Flächenziele nach dem WindBG werden hierzu in die Systematik des Bauplanungsrechts des Baugesetzbuchs (BauGB) integriert. Der planerischen Steuerung durch die Ausweisung von Windenergiegebieten soll im Ergebnis nur noch dann Ausschlusswirkung zukommen, wenn die Flächenziele erreicht werden. Andernfalls sind Windenergieanlagen im gesamten Planungsraum privilegiert zulässig. Landesrechtliche Mindestabstandsregelungen auf der Grundlage der sogenannten Länderöffnungsklausel des BauGB sollen weiterhin möglich sein. Allerdings nur, wenn die verbindlichen Flächenziele erreicht werden. Um eine kontinuierlich steigende Flächenausweisung sicherzustellen, wird auch ein verbindliches Zwischenziel festgelegt. Für den Freistaat Sachsen würde dies eine verbindlich auszuweisende Windenergiefläche von 1,3 % der Landesfläche bis spätestens 31.12.2027 (Zwischenziel) und 2,0 % der Landesfläche bis spätestens 31.12.2032 bedeuten. Der Sächsische Landtag hatte erst am 1. Juni ein Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung beschlossen, der einen Mindestabstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung von 1000 Metern festlegt.
Das Wind-an-Land-Gesetz wurde erst am 7. Juli vom Deutschen Bundestag beschlossen. Die letzten Änderungen am Gesetz hatte der zuständige Ausschuss für Klimaschutz und Energie erst am 5. Juli in einer Sondersitzung beschlossen. Die Bundesregierung hatte am 15. Juni eine Formulierungshilfe zum Gesetz beschlossen. Diese wurde von den Koalitionsfraktionen genutzt um das Gesetz als Fraktionsinitiative zu beschließen. Dies hat zur Folge, dass der Bundesrat das Gesetz nur in einem »unechten zweitem Durchgang« behandeln kann. Die Möglichkeit zur Stellungnahme in einem ersten Durchgang bliebt ihm dadurch, trotz einer Regelungsmaterie die tief in die Planungsrechte der Länder eingreift, verwehrt.
In seiner Protokollerklärung kritisiert der Freistaat Sachsen, dass die vermehrte Nutzung von Formulierungshilfen durch die Bundesregierung verfassungsrechtlichen und politischen Bedenken begegnet. Sachsen erwartet von der Bundesregierung, zukünftig wieder eine ordnungsgemäße Behandlung ihrer Gesetzesvorlagen in dem vom Grundgesetz vorgesehenen und in der Staatspraxis bewährten Verfahren sicherzustellen und damit die grundgesetzlich vorgesehene Beteiligung der Länder im Verfahren einzuhalten.
Der Bundesrat hat zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Gestaltung der Konferenz zur Zukunft Europas COM (2020) 27 final Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme unterstützt und war mit eigenen Anträgen hierzu erfolgreich. Ebenfalls Stellung genommen hat der Bundesrat zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Konferenz zur Zukunft Europas – Von der Vision zu konkreten Maßnahmen COM (2022) 404 final. Diese Stellungnahme hat der Freistaat Sachsen nur teilweise unterstützt.
Zwischen Mai 2021 und Mai 2022 fand die Konferenz zur Zukunft Europas statt, bei der europaweit Bürgerinnen und Bürger eingeladen waren, ihre Erwartungen an die Zukunft der EU zu formulieren, Ideen einzubringen und sich mit anderen darüber auszutauschen. Neben der Möglichkeit der Diskussion über eine zentrale, digitale EU-Plattform fanden europaweit und auf nationaler Ebene Bürgerforen und Veranstaltungen statt, um Zukunftsideen zu entwickeln, Missstände aufzuzeigen und Wünsche und Forderungen zu formulieren.
Ziel der Konferenz war es, allen Menschen in Europa die Möglichkeit zu geben, sich aktiver zur EU und ihrem Handeln positionieren zu können und mit ihren Vorstellungen zur EU Gehör zu finden und damit neue Impulse für die zukünftige Entwicklung Europas zu liefern.
Am 9. Mai 2022 endete die Konferenz zur Zukunft Europas mit der Präsentation eines Abschlussberichts. In diesem werden 49 Vorschläge vorgestellt, die während der Konferenz zur Zukunft Europas von den beteiligten Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet wurden. Sie betreffen neun Themenbereiche: Klimawandel und Umwelt; Gesundheit; eine stärkere Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung; die EU in der Welt; Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit; digitaler Wandel; Demokratie in Europa; Migration; Bildung, Kultur, Jugend und Sport und enthalten sowohl allgemeine also auch konkrete Anregungen für die EU-Organe für die Weiterentwicklung der EU.
In ihrer Rede sprach Ministerin Meier sich dafür aus, die Vorschläge der Bürger ernsthaft zu beraten und verwies auf die zahlreichen Bürgerdialoge, die der Freistaat Sachsen in dieser Zeit in Begleitung der Zukunftskonferenz organisiert hat.
- Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Gestaltung der Konferenz zur Zukunft Europas
- Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Konferenz zur Zukunft Europas – Von der Vision zu konkreten Maßnahmen
- Rede von Europaministerin Katja Meier
Der Bundesrat hat zu einer Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments und Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die allgemeine unmittelbare Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie zur Aufhebung des Beschlusses 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates und des diesem Beschluss beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments P9_TA (2022)0129; Ratsdok. 9333/22 Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat Teile der Stellungnahme unterstützt. Europaministerin Meier gab hierzu eine Rede zu Protokoll.
Das allgemeine Ziel der Reform besteht darin, die demokratische, öffentliche Debatte, die Dimension der Wahl und die Legitimität des Entscheidungsprozesses der Union zu verbessern. Da die Europawahl größtenteils durch nationale Gesetze geregelt wird, sollen gemeinsame Mindeststandards für das Wahlverfahren festgelegt werden, damit alle EU-Bürgerinnen und -Bürger gleichberechtigt am demokratischen Leben teilnehmen können. Um umfassende Wahlgleichheit zu schaffen, soll das Wahlrecht auch EU-Bürgerinnen und -Bürgern zustehen, die ihren Wohnsitz außerhalb der EU haben.
Der VO-Vorschlag der EU-Kommission sieht verschiedene neue Elemente für die Wahl zum EP vor: Das aktive Wahlalter soll einheitlich auf 16 Jahre und das passive Wahlrecht auf 18 Jahre festgesetzt werden. Damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt und umfassend am politischen Leben teilhaben können, sollen jegliche Hürden bzgl. des Wahlrechts dieser Menschen beseitigt werden. Eine Stärkung der Briefwahl oder (unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen) der elektronischen Wahl sollen mehr Wählerinnen und Wählern eine Teilnahme ermöglichen, die Wahl effizienter und für Wählerinnen und Wähler insgesamt attraktiver machen. Für eine bessere Vertretung bei den Wahlen soll auch die Gleichstellung der Geschlechter gestärkt werden. EU-Mitgliedstaaten sollen für die Europawahl auf nationaler Ebene eine Sperrklausel von nicht mehr als 5 % festlegen können. In nationalen Wahlkreisen von mehr als 60 Sitzen sollen Sperrklauseln von mindestens 3,5 % gelten. Ein unionsweiter Wahlkreis mit einer verbindlichen geografischen Repräsentation in den Listen soll eingeführt werden. Der Aufbau eines europäischen Wählerverzeichnisses soll eine doppelte Stimmabgabe verhindern. Am 9. Mai soll es einen gemeinsamen europäischen Wahltag geben. Um die Wahl zu koordinieren, die Umsetzung des Wahlrechts zu überwachen und einen effizienten Informationstausch zwischen den Verwaltungssystemen der Mitgliedsstaaten sicherzustellen, soll eine europäische Wahlbehörde als unabhängige Stelle geschaffen werden.
Teile der Stellungnahme des Bundesrates, die eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und die Einführung transnationaler Listen begrüßen hat der Freistaat Sachsen nicht unterstützt.
- Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments und Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die allgemeine unmittelbare Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie zur Aufhebung des Beschlusses 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates …
- Rede zu Protokoll von Europaministerin Katja Meier (*.pdf, 19,00 KB)
Der Bundesrat hat zu Änderungen am Infektionsschutzgesetz ohne die Stimmen des Freistaates Sachsen Stellung genommen.
Bei der neuerlichen Änderung im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geht es nicht um Änderungen in Folge der COVID-19-Pandemie, sondern vorrangig um das Trinkwasser. Am 12. Januar 2021 ist die EU-Trinkwasser-Richtlinie in Kraft getreten, die innerhalb von zwei Jahren, d. h. bis zum 12. Januar 2023, in deutsches Recht umzusetzen ist.
Um in der (nationalen) Trinkwasser-Verordnung die Vorgaben umsetzen zu können, ist zunächst eine Anpassung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 38 Absatz 1 IfSG erforderlich. Zu den neuen Richtlinien-Vorgaben, für die bislang keine ausreichende Verordnungsermächtigung existiert, zählen insbesondere die Erweiterung der Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit sowie die Anwendung des risikobasierten Ansatzes für sicheres Wasser für den menschlichen Gebrauch.
Des Weiteren sollen im siebten Abschnitt (»Wasser«) des IfSG verwendete Begriffe vereinfacht und harmonisiert werden. Zudem sollen einzelne Unklarheiten beseitigt werden, die im Rahmen des Vollzugs festgestellt worden sind.
Der Bundesrat hat zum Gesetzentwurf der Bundesregierung eine fachliche Stellungnahme abgegeben, der sich die Sächsische Staatsregierung aber nicht angeschlossen hat. So soll nach den Vorstellungen der Mehrheit der Länder noch eine Regelung in das Gesetz aufgenommen werden, wonach die Aufbereitung des Wassers in Schwimm- und Badebecken »mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik« entsprechen muss. Allerdings gibt es in Sachsen noch Bäder, die zwar die Parameterwerte der DIN 19643 »Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser« bzw. der UBA-Empfehlung »Hygieneanforderungen an Bäder und deren Überwachung« einhalten, deren Aufbereitung aber nicht den »allgemein anerkannten Regeln der Technik« entspricht. Für die betroffenen Bäder wäre die Umsetzung mit erheblichen Kosten verbunden. Darüber hinaus beansprucht die Umsetzung Zeit. Würde das Gesetz also nicht mindestens mit einer mehrjährigen Übergangsfrist verbunden, hieße das, dass mit Inkrafttreten der Änderungen ca. 40 Freibäder in Sachsen den Betrieb einstellen müssten. Dies will der Freistaat Sachsen unbedingt vermeiden und wird sich deshalb im weiteren Gesetzgebungsverfahren dafür einsetzen, dass dieser Zusatz nicht ins Gesetz aufgenommen wird.
Der Bundesrat hat sich erstmalig mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes befasst und hierzu eine Stellungnahme beschlossen. Der Freistaat Sachsen hat nur Teile der Stellungnahme unterstützt.
Der Gesetzentwurf sieht eine Anpassung der Mautsätze für Bundesautobahnen und Bundesstraßen zum 1. Januar 2023 vor. Grundlage für die Erhebung der Mautgebühren ist die sog. Eurovignetten-Richtlinie. Danach bemessen sich die durchschnittlichen Infrastrukturgebühren an den Baukosten und den Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des Straßennetzes sowie externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärmbelastung. Die Berechnung der Mautsätze wird in regelmäßigen Abständen anhand von sog. Wegekostengutachten überprüft. Das letzte Wegekostengutachten wurde für den Zeitraum 2018 – 2022 erstellt. Die nunmehr beabsichtigte Anpassung der Mautgebühren beruht auf einem vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr in Auftrag gegebenen Wegekostengutachten für den Zeitraum 2023 bis 2027. Zudem werden die Spielräume der Anfang 2022 geänderten Eurovignetten-Richtlinie genutzt, um die tatsächlichen externen Kosten für Luftverschmutzung und Lärmbelastung den Nutzern der mautpflichtigen Strecken anzulasten.
In seiner Stellungnahme begrüßt der Bundesrat mit Unterstützung Sachsens, die vorgesehene Anpassung der Mautteilsätze für Lärmbelastung und Luftverschmutzung. Ebenfalls unterstützt er die Forderung nach einer Freistellung von der Lkw-Maut im Zu- und Ablauf des Schienengüterverkehrs von maximal 50 Kilometer, da der Verkehrsträger Schiene bereits jetzt bei der Kostenverteilung im Vergleich mit dem Straßengüterverkehr überproportional belastet ist. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ebenfalls die Mautsätze innerhalb eines Jahres erneut zu überprüfen, da die dem Gesetzentwurf zugrundeliegende Kostenbetrachtung die aktuellen erheblichen, inflationsbedingten Kostensteigerungen nicht berücksichtige.
Nicht unterstützt hat Sachsen die Forderung nach Aufweichung der Zweckbindung der Mauteinnahmen. Keine Mehrheit fand im Bundesrat die Forderung, die Maut umgehend auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen auszuweiten und auch Fernbusse mit einzubeziehen. Auch Sachsen hat diese Forderung nicht unterstützt.
Der Bundesrat hat zu einem Verordnungsvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse und zur Änderung der Verordnungen (EU) 2017/1001 und (EU) 2019/1753 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses (EU) 2019/1754 des Rates COM (2022) 174 final; Ratsdok. 8205/22 Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme unterstützt und war auch mit eigenen Anträgen in den Ausschüssen des Bundesrates erfolgreich. Hierbei ging es insbesondere um den Schutz der Uhrenproduktion in Glashütte.
Der Verordnungsvorschlag der Kommission verfolgt das Ziel, ein System des Schutzes geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Produkte zu schaffen. Damit soll die Lage der Erzeuger verbessert und es sollen ihre handwerklichen und industriellen Erzeugnisse in der EU vor Fälschung geschützt und Anreize geboten werden, um in die Erzeugnisse zu investieren.
In Bezug auf landwirtschaftliche Erzeugnisse verfügt die EU über einheitliche, umfassende Regelungen für den Schutz von geografischen Angaben für Weine, aromatisierte Weine, Spirituosen sowie andere landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel. Dies gilt bislang jedoch nicht für den Schutz geografischer Angaben für nichtlandwirtschaftliche Produkte des Handwerks und der Industrie.
Mit dem Verordnungsvorschlag beabsichtigt die Kommission, diese Regelungslücke auf EU-Ebene zu schließen, die im internationalen Kontext im Rahmen von Freihandelsabkommen und der Genfer Akte bislang regelmäßig zu Schwierigkeiten geführt hat, weil Drittstaaten der berechtigte Wunsch nach einem Schutz ihrer nichtlandwirtschaftlichen Produkte des Handwerks und der Industrie in der EU verwehrt werden musste. Es soll außerdem der Schutz des geistigen Eigentums in der EU für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse mit geographischem Zusammenhang gestärkt werden.
In der Entschließung des Bundesrates spricht dieser sich dafür aus, dass die aktuell gültigen deutschen Regelungen von geografischen Herkunftsangaben (§§ 126 fortfolgendes Markengesetz) im Rahmen der neu vorgesehenen EU-Verordnung beibehalten werden. Erst Anfang dieses Jahres wurde auf Antrag vom Freistaat Sachsen die Marke »Made in Glashütte« für Uhrenprodukte geschützt.
Der Bundesrat hat der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten ohne die Unterstützung Sachsens mit Maßgaben zugestimmt.
Hintergrund der Verwaltungsvorschrift ist ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Mit der sogenannten AVV Gebietsausweisung möchte die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission zur Umsetzung des EuGH-Urteils zur Nitrat-Richtlinie bemängelte Vorgehensweise bei der Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten ändern und weiter vereinheitlichen. Grundlage für die Verwaltungsvorschrift ist die geänderte Düngeverordnung, der der Bundesrat im Frühjahr 2020 zugestimmt hatte. Die Länder werden darin verpflichtet, bis zum 30. November 2022 die entsprechenden Gebiete neu auszuweisen.
Die Vorschrift stellt sowohl die Verwaltungen der Länder als auch die Landwirte vor enorme Herausforderungen, auch weil es eine deutliche Vergrößerung der Gebietskulisse (sog. »rote Gebiete«) geben wird. Hierdurch entstehen für die Landwirte signifikante Beschränkungen und Bewirtschaftungsauflagen aufgrund der DüngeVO. Dies geschieht ohne regionale Differenzierungen (bspw. Trockengebiete) und damit auch nicht verursachergerecht. Der Freistaat Sachsen hat sich daher koalitionsbedingt zur Verwaltungsvorschrift enthalten.
Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem »Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung« mit den Stimmen Sachsens zugestimmt.
Mit dem Gesetz soll dem Neuregelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts im »Zins-Urteil« vom 08.07.2021 zur sog. Vollverzinsung für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 entsprochen werden. Dieses hatte den bisher geltenden festen Zinssatz von 6 Prozent für verfassungswidrig erklärt und eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Zinssatzes gefordert.
Das Gesetz legt den festen Zinssatz auf 0,15 Prozent pro Monat also 1,8 Prozent pro Jahr fest. Die Höhe dieses Zinssatzes soll alle zwei Jahre – beginnend am 1.1.2024 – überprüft werden. Außerdem wird eine Neuregelung auf Nachzahlungs- und Erstattungszinsen beschränkt. Bei anderen Zinsarten, wie etwa Säumniszuschlägen werden keine Änderungen vorgenommen.
Die Bundesregierung erwartet durch die Änderung in diesem Jahr Mindereinnahmen von 2,46 Milliarden Euro und im kommenden Jahr von 530 Millionen Euro.
Zusätzlich passt der Gesetzesbeschluss einzelne Regelungen zur Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen an unionsrechtliche Vorgaben an.
Das Gesetz soll noch vor dem 31. Juli 2022 in Kraft treten.
Der Bundesrat hat – bei Enthaltung Sachsens – beschlossen, zu dem »Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens, ›Energie- und Klimafonds‹« den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen.
Das Gesetz dient der Weiterentwicklung des »Energie- und Klimafonds« (EKF) zu einem »Klima- und Transformationsfonds« (KTF). Außerdem beinhaltet das Gesetz einen auf die konkreten Zwecke gestützten Maßnahmenkatalog, der Investitionen in den Bereichen Energieeffizienz, CO2-neutrale Mobilität und Energieversorgung sowie die Abschaffung der EEG-Umlage zur Stärkung der Nachfrage vorsieht.
Mit dem Nachtragshaushalt 2021 hat die Bundesregierung nicht verbrauchte Kreditermächtigungen auf den EKF übertragen und im Hinblick auf die Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie mit einer erweiterten Zweckbindung versehen, um die Nutzung der krisenbedingt aufgenommenen Schulden zu begründen. Dieses Vorgehen wurde im Finanzausschuss von den unionsgeführten Ländern, darunter auch Sachsen, als verfassungsrechtlich problematisch bewertet.
Der Bundesrat befasste sich mit zwei Änderungsgesetzen zum Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG):
Mit dem 27. BAföG-Änderungsgesetz soll das BAföG bedarfsgerecht an aktuelle Entwicklungen angepasst werden, um förderungsbedürftige Auszubildende besser zu erreichen. So werden die Freibeträge um 20,75 Prozent, die Bedarfssätze um 5,75 Prozent sowie der Wohnzuschlag für auswärts Wohnende auf 360 Euro angehoben. Die Altersgrenze wird erheblich heraufgesetzt auf nunmehr 45 Jahre. Zur Erleichterung der digitalen Antragstellung wird künftig auf das Schrifterfordernis verzichtet. Weitere Änderungen betreffen u. a. die Fördermöglichkeit eines in Drittstaaten (d. h. außerhalb der EU) absolvierten Studiengangs, die Erlassmöglichkeit der Darlehensrestschuld nach 20 Jahren bei Altfällen und die Möglichkeit der Verlängerung der Förderungshöchstdauer in flächendeckenden gravierenden Krisensituationen. Bei den Freibeträgen und Bedarfssätzen hatte der Bundestag eine weitere Anhebung gegenüber dem Regierungsentwurf des Gesetzes beschlossen.
Das 27. BAföGÄndG lag dem Bundesrat nun im 2. Durchgang zur finalen Beschlussfassung vor. Obwohl ein Vorschlag des Bundesrats aus dem 1. Durchgang zur Überprüfung der Finanzierungsanteile von Bund und Ländern beim Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (AFBG) nicht aufgegriffen wurde, hat kein Land die Anrufung des Vermittlungsausschusses beantragt. Damit kann das 27. BAföGÄndG rechtzeitig vor dem kommenden Wintersemester in Kraft treten.
Mit dem Entwurf eines 28. BAföG-Änderungsgesetzes befasste sich der Bundesrat im 1. Durchgang. Mit diesem Gesetz soll im Falle einer bundesweiten Notlage, die zuvor vom Bundestag festgestellt sein muss, die Möglichkeit geschaffen werden, das BAföG vorübergehend für einen Personenkreis zu öffnen, der normalerweise ausgeschlossen ist. Während der Lockdowns in der Covid-19-Pandemie waren zahlreiche Nebenerwerbsmöglichkeiten weggebrochen, was die Studien- und Ausbildungsfinanzierung zusätzlich erschwerte. Die Länder haben keine Einwände gegen den Gesetzentwurf erhoben.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung für diese Wahlperiode weitere Reformen des BAföG angekündigt.
Der Bundesrat hat zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens keine Einwendungen erhoben.
Gemäß Artikel 82 GG werden Gesetze vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Eine entsprechende Verkündung ist – vorbehaltlich anderer gesetzlicher Regelungen – auch für Rechtsverordnungen vorgesehen. Bislang erfolgt die Verkündung in der verbindlichen papiergebundenen Form.
Mit zwei Gesetzentwürfen plant die Bundesregierung, die Papierfassung des Bundesgesetzblattes durch eine digitale Verkündungsplattform des Bundes abzulösen. Um künftig die elektronische Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen zu ermöglichen, soll hierfür das Grundgesetz in Artikel 82 Absatz 1 GG geändert werden.
Hierdurch werden die Gegenzeichnung und Ausfertigung von Gesetzen und Verordnungen in Form einer elektronischen Signatur ermöglicht. Damit kann die Gesetzgebung vom Entwurf bis zur Verkündung medienbruchfrei durchgeführt werden.