30.09.2024

»Ungleich vereint - 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution« – Lesung und Diskussionsveranstaltung mit Prof. Steffen Mau, Dr. Thomas de Maizière und Dr. Cordia Schlegelmilch

Mehrere Menschen stehen in einem Raum für ein Foto
Die Protagonisten des Abends: Dr. Thomas de Mazière, Tanit Koch, Katja Meier, Dr. Cordia Schlegelmilch, Prof. Dr. Steffen Mau 
© Frank Hensel

Anlässlich des Jahrestages der deutschen Einheit am 3. Oktober, des 35. Jahrestages des Mauerfalls im November und der aktuellen politischen Situation nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg lud die Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund zu einer Lesung und Podiumsdiskussion unter dem Titel »Ungleich vereint - 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution« ein. Aus diesem Anlass konnte am Montag, 30. September Katja Meier, Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und der Gleichstellung in Vertretung für den Bevollmächtigten, Herrn Staatsminister Conrad Clemens, über 200 Gäste im sächsischen Haus begrüßen.

Sie alle hörten gespannt der Lesung von Prof. Dr. Steffen Mau, Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin zu. Mau ist Autor mehrerer Sachbücher und erhielt 2021 den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In seinem neusten Buch »Ungleich vereint – Warum der Osten anders bleibt«, welches im Juni dieses Jahres im Suhrkamp Verlag erschien, beschäftigt er sich mit dem Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland, zieht Bilanz zur Deutschen Einheit und macht Vorschläge zur Wiederbelebung der Demokratie in Osten. Steffen Mau widerspricht der Angleichungsthese, laut der Ostdeutschland im Laufe der Zeit so sein werde wie der Westen. Aufgrund der Erfahrungen in der DDR und in den Nachwendejahre werde der Osten anders bleiben – ökonomisch, politisch, aber auch, was Mentalität und Identität betreffe. Im wissenschaftlichen Diskurs nimmt Mau eine in vielen Aspekten gegenteilige Position zu Prof. Dirk Oschmann aus Leipzig ein, der mit seinem 2023 erschienen Buch »Der Osten: eine westdeutsche Erfindung« eine anderslautende These vertritt und diese im Frühjahr bereits in der Landesvertretung vorstellte.

Moderiert von der Journalistin Tanit Koch diskutierten im Anschluss an die Lesung Steffen Mau und der frühere Bundesminister Dr. Thomas de Maizière, einer der besten Kenner der politischen Szene der Wiedervereinigung, engagiert sowohl über die Einschätzung der gesellschaftlichen und politischen Situation als auch über Lösungsmöglichkeiten: und dies durchaus kontrovers. Angesichts der schwachen Verwurzelung der Parteien in Ostdeutschland plädiert Mau dafür, alternative Formen der Demokratie zu erproben und die Menschen über Bürgerräte stärker zu beteiligen. Diese Formate könnte dann auch in den westlichen Bundesländern übernommen werden. Thomas de Maizière widersprach in diesem Punkt, befürchtet Schwierigkeiten hinsichtlich der Umsetzbarkeit von Beschlüssen solcher Bürgerräte und sprach sich stattdessen für eine Stärkung der Institutionen aus.

Begleitet wurde der Abend mit einer Fotoausstellung und Einführung in die Studie der Soziologin Dr. Cordia Schlegelmilch. Sie reiste im Sommer 1990 durch die DDR. Am Beispiel der sächsischen Stadt Wurzen erforschte sie mit der Kamera und durch Interviews die Veränderung des Alltagslebens und die Lebensläufe der Menschen. Die Ausstellung »Endlich seid ihr da! - Ein fotografischer Blick zurück in die 1990er Jahre in Sachsen« ist vom 1. Oktober bis 29. November 2024 täglich von 10 bis 18 Uhr in der Landesvertretung zu sehen.

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