1000. Bundesratsitzung – Ein Rückblick aus sächsischer Perspektive
Die Geschichte von Bund und Ländern
Am 12. Februar 2021 kommt der Bundesrat zu seiner 1000. Plenarsitzung zusammen. Die Geschichte seiner Vorläufer reicht weit zurück ins 15. Jahrhundert. Damals versammelte der Reichstag die Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches, darunter die Gesandten des Kurfürstentums Sachsen. Im Deutschen Bund war das Königreich Sachsen mit den Vertretern von ca. 40 weiteren Bundesgliedern Teil der Bundesversammlung. Ab 1867 gab es dann im Norddeutschen Bund ein dem heutigen ähnliches Zwei-Kammer-System, mit dem Bundesrath als Vertretung der Gliedstaaten und dem direkt vom Volk gewählten Reichstag. Schon damals hatte das Königreich Sachsen im Bundesrath vier Stimmen – genauso viele wie heute. Während der Weimarer Republik hieß die Länderkammer Reichsrat und verlor bei der Gesetzgebung zunehmend an Bedeutung. 1934 schaffen die Nationalsozialisten im Zuge der Gleichschaltung den Reichsrat ab.
Föderalismus im Westen, Zentralismus im Osten
In der Bundesrepublik sollte der föderale Charakter bewahrt werden, einerseits als Gegengewicht zum starken Bundestag, andererseits zur Festigung der Stabilität der jungen Demokratie. Am 7. September 1949 kam der Bundesrat zu seiner ersten Sitzung in Bonn zusammen und tagt seither durchgehend.
In der DDR gab es zwar ab 1949 zunächst noch eine Länderkammer als Gegengewicht zur Volkskammer. Mit der Verwaltungsreform 1952 und der faktischen Auflösung der Länder, darunter Sachsen, war die Länderkammer dem Untergang geweiht, 1958 folgt die Auflösung durch das Volkskammergesetz.
Wiedervereinigung auch im Bundesrat
Nach dem Mauerfall war schnell klar: In der DDR sollte an die frühere föderale Tradition angeknüpft und die Länder ähnlich der Strukturen Anfang der 50er Jahre gestaltet werden. Die erste frei gewählte Volkskammer der DDR beschloss im Juli 1990 das Ländereinführungsgesetz, das zeitgleich mit dem Einigungsvertrag am 3. Oktober 1990 in Kraft trat. So entstanden neben Sachsen auch Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Genau ein Jahr nach dem Mauerfall, am 9. November 1990 kam der Bundesrat in Berlin erstmals mit Vertretern aller 16 Bundesländer zusammen. Der damalige Bundesratspräsident Hennig Voscherau begrüßte die neuen Länder »mit dem Willen zu guter Zusammenarbeit, zur Solidarität, zum neuen Weg in eine gemeinsame Zukunft« in der Länderkammer.
Mit der Wiedervereinigung wuchs die Anzahl der Bundesratsmitglieder auf letztlich 69. Dabei bemisst sich die Anzahl der Mitglieder eines Bundeslandes an der Einwohnerzahl. Mindestens drei und maximal sechs Mitglieder und somit Stimmen stehen einem Land zu, wobei jedes Land nur einheitlich abstimmen und sein Votum nicht aufteilen darf. Sachsen ist mit vier Stimmen im Bundesrat vertreten. Für die absolute Mehrheit benötigt man 35 Stimmen.
Als »ewiges« Verfassungsorgan ist der Bundesrat – anders als der Bundestag – nicht an Wahlperioden oder Amtszeiten geknüpft, sondern ändert seine Zusammensetzung fortlaufend je nach Ergebnis der Landtagswahlen. Aktuell sind im Bundesrat 15 verschiedene Koalitionskonstellationen vertreten.
Sachsen im Bundesrat
Im Jahr 1996 fasste der Bundesrat den Beschluss von Bonn nach Berlin umzuziehen. Seit 2000 tagt er im ehemaligen Preußischen Herrenhaus in der Nähe des Leipziger Platzes in Berlin. Die erste Sitzung dort fand am 29. September 2000 statt und wurde vom damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf in seiner Rolle als amtierender Bundesratspräsident eröffnet. Er appellierte an die Ländervertreter: »Lassen Sie uns mit dem Beginn unserer Berliner Zeit unsere Entschlossenheit erneuern, Deutschland seine bundesstaatliche Ordnung zu erhalten und sie zum Wohle Europas zu sichern!«
Unter dem Motto »Gelebte Bundesstaatlichkeit durch mehr Länderverantwortung« übernahm Biedenkopf als erster sächsischer Ministerpräsident 1999 den Bundesratsvorsitz. Im Jahr 2000 rief Biedenkopf die deutsch-russische Freundschaftsgruppe im Bundesrat ins Leben, um die Zusammenarbeit mit dem russischen Föderationsrat zu vertiefen und den Austausch zu fördern.
Der zweite sächsische Bundesratspräsident war im Jahr 2015/16 Stanislaw Tillich. In seiner Amtszeit setzte er sich unter dem Motto »Brücken bauen« intensiv für die Stärkung und den Ausbau der internationalen Beziehungen des Bundesrates ein. Als Mitglied der Minderheit der Lausitzer Sorben, sprach er als erster Bundesratspräsident Worte in seiner sorbischen Muttersprache. Unter dem Motto »Brücken bauen« setzte sich Tillich intensiv für die Stärkung und den Ausbau der internationalen Beziehungen des Bundesrates ein. In seine Amtszeit empfing der Bundesrat 2015 anlässlich des 25. Jubiläums der Wiedervereinigung mit Bundespräsident Joachim Gauck erstmalig ein deutsches Staatsoberhaupt im Bundesrat. In seiner Rede am 27. November 2014 lobte Gauck die Rolle des Föderalismus für das Gelingen der Deutschen Einheit.
Weil Sachsen den Vorsitz im Bundesrat hatte, fanden die zentralen Festlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2016 als Programm des Bundesrates in Dresden statt. Und ebenfalls aus diesem Anlass erschien 2016 eine 2-Euro-Sondermünze, auf welcher der Dresdner Zwinger abgebildet ist. Seit 2006 wird jährlich eine solche Sondermünze mit einem Wahrzeichen des Landes des amtierenden Bundesratspräsidenten ausgegeben. Im Jahr 2019 erschien zum 70. Jubiläum eine Zwei-Euro-Gedenkmünze mit der Abbildung des Bundesrates.
Neben den beiden sächsischen Bundesratspräsidenten gab es bisher 71 weitere Präsidenten und zwei Präsidentinnen. Die nächste Bundesratspräsidentschaft wird Sachsen voraussichtlich im Jahr 2031 übernehmen. Traditionell steht der sächsische Ministerpräsident dem Bundesratsausschuss für Auswärtige Angelegenheiten vor. Michael Kretschmer hat aktuell den Vorsitz in diesem politischen Ausschuss inne.
Wichtige Gesetze für und von Sachsen
Seit der Wiedervereinigung war der Bundesrat an vielen wichtigen und richtungsweisenden Beschlüssen für Sachsen beteiligt. Die finanzielle Unterstützung der neuen Bundesländer durch die Solidarpakte I und II, die Einführung des Solidaritätszuschlags und die Reform des Länderfinanzausgleichs prägten die Mitwirkung des Bundesrates an der Vollendung der Deutschen Einheit ebenso wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Angleichung der Renten und den Ausbau sowie die Modernisierung der Infrastruktur in Ostdeutschland. Bei den Föderalismusreformen brachten sich die Länder über den Bundesrat maßgeblich in der Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen und – mit wesentlicher Beteiligung des damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt – die Finanzarchitektur ein. Doch auch bedeutende Zukunftsthemen für den Freistaat stehen weit oben auf der Agenda des Bundesrates. Im letzten Jahr wurden hier wichtige Weichen für einen erfolgreichen Strukturwandel in den sächsischen Braunkohlerevieren gestellt.
Seit dem Inkrafttreten der Föderalismusreform I im Jahr 2006 benötigen ca. 40% der Gesetze die Zustimmung des Bundesrates. Alle anderen Gesetze sind sogenannte Einspruchsgesetze, hier kann der Bundesrat zwar Einspruch erheben, aber dieser kann von der Mehrheit des Bundestages wieder zurückgewiesen werden.
Die Bundesländer können über den Bundesrat auch eigene Gesetzesinitiativen einbringen. Sachsen hat sich alleine seit 2007 an mehr als 100 solcher Initiativen beteiligt. Dabei ging es um diverse, aus Sicht des Freistaates wichtige Themen wie beispielswiese die Entfristung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze, die heimische Stahlwirtschaft und die Beschleunigung von Hochwasserschutzmaßnahmen. Zuletzt konnte Sachsen im letzten Jahr mit einer Initiative zum Schutz der Europäischen Union und ihrer Symbole vor Verunglimpfung erfolgreich eine Gesetzesänderung initiieren.
Die 1000. Sitzung des Bundesrates am 12. Februar 2021 ist bereits das dritte Jubiläum in drei Jahren. 2019 feierte der Bundesrat sein 70jähriges Bestehen, 2020 das 30. Jahr der Deutschen Einheit.
- 1000. Bundesratssitzung vom 12. Februar 2021 Zu den Themen der 1000. Bundesratssitzung